[1]1996ff 1998 wurde mir ein Aufsatz bekannt, den der Kartographiehistoriker P.C.J. van den Krogt, Universität Utrecht, aus Anlaß des "Mercator-Jahres 1994" geschrieben hat: "Van Atlas tot atlas", Kartografisch Tijdschrift 1994, XX.3, 11-18. Van den Krogt benutzt S. 13 die Bezeichnungen "Atlas sr." und "Atlas jr.", läßt aber offen, ob Mercators Bemerkung am Ende der Praefatio auf den Junior abzielt: "Aan het slot schrijft Mercator dat zijn doelstelling was deze Atlas te volgen, waarbij het niet duidelijk is of hij Atlas sr. of Atlas jr. bedoelt." Vgl. dazu 3.1. (Hunc Atlantem kann - kontextbezogen - nur Atlas junior apostrophieren.) [2]Brief Der "zweite" Briefwechsel kam 1997/98 in der Abhandlung von Joseph Milz: Ein bisher unbekannter Briefwechsel Gerhard Mercators mit Jonannes Vivianus, Duisburger Forschungen 43, 1-20, - fortan zitiert als "Milz98" an das Licht der Öffentlichkeit; der "erste" war 1908 von A.Tihon öffentlich gemacht worden. [3]Niedergeschlagenheit Wie betroffen sich Gerhard Mercator nach 1590 gefühlt haben muß, zeigt dann auch der - vertrauenswürdige - Bericht des Walter Ghim an:
Nunmehr nötigen uns diese Nachrichten über Gerhard
Mercator zusammen mit den Bemerkungen Gerhard Mercators
selbst in Milz98 diese Berücksichtigung
förmlich auf.
[4]nach drei Jahren | also Bedenken wir die von Ghim beschriebenen Folgen dieses zweiten Gehirnschlages, so müssen wir wohl den Zeitpunkt dieses Ereignisses nach dem 4. Juni 1593 ansetzen. Die Folgen des Gehirnschlages ließen zwar mit der Zeit ein wenig (einigermaßen) nach: "quae vero aegritudo sese paulatim nonnihil remisit", so daß er am Ende wieder der Sprache mächtig war, aber die Fähigkeit zu weiterer wissenschaftlicher Arbeit war ihm für den Rest seines Lebens wohl genommen. Ich kann mir dabei durchaus vor-stellen, daß er die Briefe von Solenander und Sinstedius Mitte 1594 noch zur Kenntnis genommen und Rumold daraufhin angewiesen hat, einen Teil des Brieftextes in das 13. Kapitel (Über den Lebensbaum) einzubinden: Schon 1992ff. haben mich die Formulierungen dieses Kapitels im ganzen vermuten lassen, daß Gerhard Mercator dieses Kapitel nach den Vorträgen des Solenander aufgeschrieben hat: Solenander ergänzt in seinem Brief einfach das noch - wie ihm scheint - Fehlende. [5]Überlieferung So schreibt Benjamin Hederich in seinem "gründlichen mythologischen Lexikon" von 1770, XLVI. Auf Hederichs Lexikon werde ich mich vielfältig beziehen, ohne es immer wieder anzuzeigen. [6]Erzählstrang Da Gerhard Mercator den phönikischen Weg der Geschichte nach Eusebius (Philo) / Diodor wählt, ist es ihm möglich, auf den Titanen Atlas und seine mythologischen Attribute zu verzichten, um dafür seinen Sohn, Atlas junior (s.v.v) einzubringen. Daß die Erzählung aus dem
Phönikischen aufgenommen wird, erkennt man deutlich an den "schmückenden"
- aus der phönikischen "Geschichte" stammenden - Zugaben :
21 Da packten ihn die Philister und stachen ihm die Augen aus. Sie führten ihn nach Gaze hinab und fesselten ihn mit Bronzeketten und er mußte im Gefängnis die Mühle drehen. 22 Doch sein Haar, das man abgeschniten hatte, fing wieder an zu wachsen. 23 Die Fürsten der Philister versammelten sich, um ihrem Gott Dagon ein großes Opfer darzubringen und ein Freudenfest zu feiern. Sie sagten: Unser Gott hat unseren Feind Samson in unsere Gewalt gegeben. 24 Als das Volk Samson sah, priesen sie ihren Gott und sagten: Unser Gott hat unseren Feind / in unsere Gewalt gegeben, / ihn, der unser Land verwüstet hat, / der so viele von uns erschlagen hat."
ersten Buche Samuel 5,1ff.: "5 Die Philister brachten die Lade Gottes, die sie erbeutet hatten, von Eben-Eser nach Aschdod. 2 Dann nahmen sie die Lade Gottes, brachten sie in den Tempel Dagons und stellten sie neben Dagon auf. 3 Als die Einwohner von Aschdod aber am nächsten Morgen aufstanden, war Dagon vornüber gefallen und lag vor der Lade des Herrn mit dem Gesicht auf dem Boden. Sie nahmen Dagon und stellten ihn wieder an seinen Platz. 4 Doch als sie am nächsten Morgen in der Frühe wieder aufstanden, da war Dagon wieder vornüber gefallen und lag vor der Lade des Herrn mit dem Gesicht auf dem Boden. Dagons Kopf und seine beiden Hände lagen abgeschlagen auf der Schwelle. Nur der Rumpf war Dagon geblieben. 5 Deshalb treten die Priester Dagons und alle, die in den Tempel Dagons kommen, bis zum heutigen Tag nicht auf die Schwelle des Dagon von Aschdod. 6 Die Hand des Herrn lastete schwer auf den Einwohnern von Aschdod, und er versetzte sie in Schrecken und schlug Aschdod und sein Gebiet mit der Beulenpest. 7 Als die Einwohner von Aschdod sahen, was geschah, sagten sie: Die Lade des Gottes Israels darf nicht bei uns bleiben; denn seine Hand liegt schwer auf uns und unserem Gott Dagon."
[7]exzerpiert Siehe Eisfeldt: Textkritische Bemerkungen. [8]Sol = Bel Philo erzählt bei Eusebius Praep.ev. I, 10 von Baal-Zamen oder Beel-Semen, dem Herrn des Himmels, der ersten Gottheit, die die Phöniker anbeteten. Sie identifzierten ihren König als diese Gottheit wie diese mit der Sonne: Mit seiner Gattin Beruth lebte er in Byblio (Byblus) : "in Byblio habitabat - ambos insigniter in Astronomia & naturalibus disciplinis versatos, ita ut erudiotionis gratia Solis & Caeli nominibus digni haberentur".
[9]Kritias Im Kritias des Plato unterhalten sich Timaios, Kritias, Sokrates und Hermokrates weiter über die Entstehung der Götter: Timaios hatte ja den Anfang mit der Erzählung im Timaios gemacht. Den Bericht übernimmt Kritias: "Wohl, mein Timaios, ich übernehme sie [die Fortsetzung der Göttererzählung]. Doch was auch du zu Anfange getan hast, daß du nämlich wegen der Schwierigkeit des zu behandelnden Gegenstandes die Nachsicht erbatest, eben das erbitte auch ich mir tun zu dürfen und wünsche, derselben in noch weit höherem Grade in bezug auf meine folgende Auseinandersetzung teilhaftig zu werden. ... An männlicher Nachkommenschaft aber erzeugte er [Poseidon] fünf Zwillingspaare und zog sie auf, zerlegte sodann die ganze Insel Atlantis in zehn Landgebiete und teilte von ihnen dem Erstgebornen des ältesten Paares den Wohnsitz seiner Mutter und das umliegende Gebiet, als das größte und beste, zu und bestellte ihn auch zum König über die anderen Söhne; aber auch diese machte er zu Herrschern, indem er einem jeden die Herrschaft über viele Menschen und vieles Land verlieh. Auch legte er allen Namen bei, und zwar dem ältesten und Könige den, von welchem auch die ganze Insel und das Meer, welches ja das atlantische heißt, ihre Benennungen empfingen; nämlich Atlas ward dieser erste damals herrschende König geheißen. ... Vom Atlas nun stammte ein zahlreiches Geschlecht, welches auch in seinen übrigen Gliedern hochgeehrt war, namentlich aber dadurch, daß der jedesmalige König die königliche Gewalt immer dem ältesten seiner Söhne überlieferte, viele Geschlechter hindurch sich den Besitz dieser Gewalt und damit eines Reichtums von solcher Fülle bewahrte, wie er wohl weder zuvor in irgendeinem Königreiche bestanden hat, noch so leicht künftig wieder bestehen wird, und war mit allem versehen, was in der Stadt und im übrigen Lande herbeizuschaffen nötig war. ... Indem nun Atlas und seine Nachkommen dies alles aus der Erde empfingen, gründeten sie Tempel, Königshäuser, Häfen und Schiffswerfte, und richteten auch das ganze übrige Land ein, wobei sie nach folgender Anordnung verfuhren. Zuerst schlugen sie Brücken über die Ringe von Wasser, welche ihre alte Mutterstadt [auf der nun untergegangenen Insel Atlantis] umgaben, um sich so einen Weg von und zu der Königsburg zu schaffen...." Im Phaidon kommt Sokrates in seinem letzten Dialog mit seinen Freunden und Schülern auf die Herkunft von Ursachen zu sprechen und holt in seiner Erzählung weit aus: "Dieses nun bedenkend [daß es für die Erkenntnis der Ursachen auch darauf ankommt, um das Gute und Böse zu wissen] freute ich mich, daß ich glauben konnte, über die Ursache der Dinge einen Lehrer gefunden zu haben, der recht nach meinem Sinn wäre, an dem Anaxagoras, der mir nun auch sagen werde, zuerst ob die Erde flach ist oder rund, und wenn er es mir gesagt, mir dann auch die Notwendigkeit der Sache und ihre Ursache dazu erklären werde, indem er auf das Bessere zurückginge und mir zeigte, daß es ihr besser wäre, so zu sein. Und wenn er behauptete, sie stände in der Mitte, werde er mir dabei erklären, daß es ihr besser wäre, in der Mitte zu stehen; und wenn er mir dies deutlich machte, war ich schon ganz entschlossen, daß ich nie mehr eine andere Art von Ursache begehren wollte. Ebenso war ich entschlossen, mich nach der Sonne gleichermaßen zu erkundigen und dem Monde und den übrigen Gestirnen wegen ihrer verhältnismäßigen Geschwindigkeiten und ihrer Umwälzungen und was ihnen sonst begegnet, woher es doch jedem besser ist, das zu verrichten und zu erleiden, was jeder erleidet. Denn ich glaubte ja nicht, nachdem er einmal behauptet, alles sei von der Vernunft geordnet, daß es irgendeinen anderen Grund mit hineinziehen werde, als daß es das Beste sei, daß sie sich so verhalten, wie sie sich verhalten; und also glaubte ich, indem er für jedes einzelne und alles insgemein den Grund nachwiese, werde er das Beste eines jeglichen darstellen und das für alles insgesamt Gute.Und für vieles hätte ich diese Hoffnung nicht weggegeben; sondern ganz emsig griff ich zu den Büchern und las sie durch, so schnell ich nur konnte, um nur aufs schnellste das Beste zu erkennen und das Schlechtere. Und von dieser wunderbaren Hoffnung, o Freund, fiel ich ganz herunter, als ich fortschritt und las und sah, wie der Mann [gemeint ist Anaxagoras] mit der Vernunft gar nichts anfängt und auch sonst gar nicht Gründe anführt, die sich beziehen auf das Anordnen der Dinge, dagegen aber allerlei Luft und Äther und Wasser vorschiebt und sonst vieles zum Teil Wunderliches. Und mich dünkte, es sei ihm so gegangen, als wenn jemand zuerst sagte: Sokrates tut alles, was er tut, mit Vernunft, dann aber, wenn er sich daran machte, die Gründe anzuführen von jeglichem, was ich tue, dann sagen wollte, zuerst daß ich jetzt deswegen hier säße, weil mein Leib aus Knochen und Sehnen besteht und die Knochen dicht sind und durch Gelenke voneinander geschieden, die Sehnen aber so eingerichtet, daß sie angezogen und nachgelassen werden können, und die Knochen umgeben nebst dem Fleisch und der Haut, welche sie zusammenhält. Da nun die Knochen in ihren Gelenken schweben, so machten die Sehnen, wenn ich sie nachlasse und anziehe, daß ich jetzt imstande sei, meine Glieder zu bewegen, und aus diesem Grunde säße ich jetzt hier mit gebogenen Knien. Ebenso, wenn er von unserm Gespräch andere dergleichen Ursachen anführen wollte, die Töne nämlich und die Luft und das Gehör und tausenderlei dergleichen herbeibringen, ganz vernachlässigend die wahren Ursachen anzuführen, daß nämlich, weil es den Athenern besser gefallen hat mich zu verdammen, deshalb es auch mir besser geschienen hat, hier sitzen zu bleiben und gerechter die Strafe geduldig auszustehen, welche sie angeordnet haben. Denn, beim Hunde, schon lange, glaube ich wenigstens, wären diese Sehnen und Knochen in Megara oder bei den Böotiern durch die Vorstellung des Besseren in Bewegung gesetzt, hätte ich es nicht für gerechter und schöner gehalten, lieber als daß ich fliehen und davongehen sollte, dem Staate die Strafe zu büßen, die er ordnet. Also dergleichen Ursachen zu nennen ist gar zu wunderlich; wenn aber einer sagte, daß, ohne dergleichen zu haben, Sehnen und Knochen und was ich sonst habe, ich nicht imstande sein würde, das auszuführen, was mir gefällt, der würde richtig reden. Daß ich aber deshalb täte, was ich tue, und es insofern mit Vernunft täte, nicht wegen der Wahl des Besten, das wäre doch gar eine große und breite Untauglichkeit der Rede, wenn sie nicht imstande wäre, zu unterscheiden, daß bei einem jeden Dinge etwas anderes ist, die Ursache und etwas anderes jenes, ohne welches die Ursache nicht Ursache sein könnte; und eben dies scheinen mir wie im Dunkeln tappend die meisten mit einem ungehörigen Namen, als wäre es selbst die Ursache, zu benennen. Darum legt dann der eine einen Wirbel um die Erde und läßt sie dadurch unter dem Himmel stehen bleiben, der andere stellt ihr, wie einem breiten Troge einen Fußschemel, die Luft unter. Daß sie aber nun so liege, wie es am besten war sie zu legen, die Bedeutung davon suchen sie gar nicht auf und glauben auch gar nicht, daß darin eine besondere höhere Kraft liege, sondern meinen, sie hätten wohl einen Atlas aufgefunden, der stärker wäre und unsterblicher als dieser und alles besser zusammenhielte; das Gute und Richtige aber, glauben sie, könne überall gar nichts verbinden und zusammenhalten.Ich nun wäre, um zu wissen, wie es sich mit dieser Ursache verhält, gar zu gern jedermanns Schüler geworden; da es mir aber so gut nicht wurde und ich dies weder selbst zu finden noch von einem andern zu lernen vermochte, willst du, daß ich dir von der zweitbesten Fahrt, wie ich sie durchgeführt habe zur Erforschung der Ursache, eine Beschreibung gebe, ..." [10]Kreuzgang vergl. Birgit Hahn-Woernle: Kloster Ebstorf : Die Bauplastik Stuttgart o.J., SS. 13, 16, 84 (53). Allerdings ordnet Hahn-Woernle auch einfach Last-tragende-Figuren ('Trägerfiguren') in den Halb-Kapitellen ohne Atlas-Typik in den Typus ATLANS ein (so z.B. SS. 16, 74(31: sie spricht diese Figur direkt als 'Atlant' an), 84(52). [11]Neapel Museo Nazionale - Früher gehörte die Statue zum Besitz der Farnese aus Orvieto. Vermessungen: "Immer mehr hat sich unsere Vermutung bestätigt - so Thiele, Antike Himmelsbilder 33 - , daß der Künstler, der wenigstens mit annähernder Genauigkeit gearbeitet hat, einen Globus des Hipparchos kopiert oder doch jedenfalls zu Grunde gelegt hat." [12]spiegelbildlich So war er auch 1569 mit den Giganten in Patagonien verfahren: Er veränderte eine Vorlage des Diego Gutiérrez des Jüngeren aus dem Jahre 1562 spiegelbildlich - mit kleinen Veränderungen: wie hier. [13]zurückzunehmen J.Milz schreibt Milz98, S.16: "Es schwebt Mercator [!] zu dieser Zeit also eine bestimmte literarische Form vor, die er seinem Hauptwerk geben will, eine Rahmenhandlung oder doch zumindest die Form einer Erzählung, er will nicht selbst vortragen, sondern sich gleichsam hinter die Gestalt des Atlas zurückziehen. ... Unter dieser Voraussetzung [sich auf Atlas junior zu beziehen] hat er, wie er ebenfalls schreibt schreibt, den Teil 'de mundi fabrica' fertiggestellt." Auf die Bedenken, daß ein heidnischer Gelehrter Teile der schon (!) zu diesem Zeitpunkt fertiggestellten Abhandlung De mundi fabrica wohl nicht vertreten könne, geht Milz daselbst (S.17) noch ein. Im Text scheint Milz aber davon auszugehen, daß die Praefatio später als VivianusII geschrieben worden ist; quod non, wenn man nicht die Situation, sondern die Lage Juni 1593 in den Blick nimmt. [14]Titel Ich habe diesen Titel 1994 mit "Atlas oder Kosmographische Gedanken über die Erschaffung Welt und ihre kartographische Gestalt" übertragen, Joseph Milz formuliert: "Atlas, das heißt kosmographische Gedanken über die Erschaffung der Welt und die Gestalt des Geschaffenen". [15]Publikationen Vgl. Milz98, S.18f. [16]Gesamtkonzeption Giovanni Battissta Vico entwickelt in seinen Prinzipien eine Einteilung der poetischen Weisheit, die den Vorstellungen Gerhard Mercators von einer kommenden Kosmographie durchaus entsprechen: "Aber da die Metaphysik die erhabene Wissenschaft ist, die allen Wissenschaften, die "subaltern" heißen, die ihnen zukommenden Gegenstände zuweist, ... und da die Ursprünge aller Dinge von Natur aus roh sein müssen, müssen wir ... die poetische Weisheit mit einer jenen Dichtern eigenen rohen Metaphysik beginnen lassen, aus der, wie aus einem Baumstammm, auf einem Ast sich entwicklen die Logik, die Moral, die Lehre von der Ordnung der Familie und die Politik, und zwar alle poetischer Natur; auf einem anderen Ast, und ebenfalls poetischer Natur, die Physik, die die Mutter der Kosmographie sowie ferner der Astronomie gewesen sein muß; letztere muß uns ihre beiden Töchter, Chronologie und Geographie, als gesicherte darbieten. ... Auf diese Weise gelangt diese Wissenschaft dazu, in einem Zug eine Geschichte der Ideen, Sitten und Taten des Menschengeschlechts [gesperrt von Vico] zu sein."1994 habe ich bei der Herausgabe der Kosmographischen Gedanken kurz den Atlas-Entwurf der Chronologie aufgenommen, um dem Leser der Gedanken eine erste Vorstellung von der Gesamtkonzeption des Mercatorschen "Atlas" zu geben. Dabei bin ich davon ausgegangen, daß eine Rekonstruiktion des Gesamten die von Gerhard Mercator erbrachten "Vorleistungen" in die Darstellung einzubeziehen habe:
Bd I Kosmographische Gedanken 1595,
Milz98, S.7, sagt von dieser, ersten
Konzeption: "Es verdient festgehalten zu werden,
daß Mercator nur an dieser Stelle wirklich das ganze Werk vorstellt,
also die philosophisch-historischen Abhandlungen und den Kartenteil
..."
Ich bin allerdings der Auffassung, daß das Wort von der "historica totius conditi orbis et dispositionis narratio" 1583 nicht auf eine 'philosophisch-historische' sondern vielmehr (a) auf eine dem zeitlichen Ablauf der sechs Schöpfungstage folgende und (b) ansonsten philosophisch-systematische Darstellung der angesprochenen Gegenstände (... Astronomie, Astrologie, später: Wirkungszusammenhänge bei den fünf Elementen) verweist. [17]Genealogicon In der Vita-Einteilung sind diese Abhandlungen offenbar in die Abteilung Neuere Geographie aufgenommen worden: am geeigneten (Karten-)Ort die passende (ethnographische wie genealogische) Geschichte. Im Versteigerungskatalog von 1604 waren betreffende Exzerpte Mercators unter dem Titel "Genealogicum omnium temporum & regnorum, quantum ex scriptoribus collogi potuit absolutum, Index & amussis omnis historiae & omnis rerum gestarum insigniorum Chronicon, Gerardo Mercatore Autore, manuscriptus" vorhanden. [18]abgeschlossen Und gerade die Kosmographischen Gedanken über die Erschaffung der Welt, Gerhard Mercators Hexaëmeron, halten viele für das unvollendetste seiner Werke. [19]An-Sammlung Atlanten der Philosophie, der Mathematik, ... oder der Medizin gibt es heute genau so gut wie die 'hergebrachten' Atlanten der Geo- und Uranographie. [20]Bewegung Über die Stellung und die Ordnung der Planeten hatte sich Gerhard Mercator in VIVIANUS I geäußert: hier hatte er betreffende metaphysisch-ontologische Aussagen anhand der bekannten Bewegungstatsachen gemacht; sozusagen aus letzteren metaphysische Schlüsse gezogen. Vergl. Milz98, S.11, der im Anschluß an Johannes Mercator: "Hinc elementorum voluit perquirere causas, ex quibus haec mundi machina structa viget,"schreibt: "so sieht es doch so aus, als habe Mercator beabsichtigt, in diesem Teil oder Kapitel eine über die Beschreibung der Ordnung der Himmelskörper im zweiten Teil hinausgehende, "physikalische" Begründung für deren Bewegungen zu geben." Wie aber soll sich ein Aristoteliker anders als der Meister in De
caelo über die Bewegung der Gestirne "physikalisch" äußern?
Ich denke, zu Mercators Zeiten über die "Physik" des Himmels
schreiben zu wollen, hieß nichts anderes, als die bekannten astronomischen
Tatsachen über die Bewegung der Gestirne aufzuführen, nicht aber
über De caelo hinausgehenden Kausalitäten
- Gründe für die Bewegungen und ihre Formen - ins Spiel
zu bringen. "Physik" außerhalb der Physik des Aristoteles
ließ damals noch auf sich warten.
[21]Epitaph in der Salvatorkirche
[22]usquam: usquam terrarum: eine ciceronische Konstruktion! Auch die Distichen des Johannes benutzen Konstruktionen Ciceros und Vergils. [23]Johannes Metellus
QUI FUERIM, QUAERIS. TERRAM CAELO AUSPICE TOTAM
Io. Metellus NACHRUF AUF GERHARD MERCATOR
Wer ich gewesen ? Vernimm denn: Des Kosmos Tiefen durchforschen
Joh. Metellus
[24]Johannes Mercator Heinrich Averdunk zitiert die Elogen Teschenmachers: "Johannes magnae vir exspectationis praematura morte paulo post avum occidit." Johannes starb also schon kurz nach dem Hinscheiden des Großvaters. [25]Distichen Sieben Distiche unter dem Titel Epitaphium in obitum Gerardi Mercatoris avo suo pie ac placide vita defuncto. [26]In Atlantem Gerardi Mercatoris Avi sui .
* Johannes beschreibt hier, was dem Großvater in seiner
Chaos-Theorie vorschwebte: Die Weltmaschine = das gesamte Weltall = der
sublunare wie der translunare Teil - ist durchwebt, strukturiert
von den fünf Elementen, deren Wirkung
miteinander und Einwirkung
aufeinander
es zu studieren galt - eine Thematik, die offenbar schon in der Löwener
Studierstube Mercators
John Dee und Gerhard Mercator
faszinierte. Dee lieferte später seinem Freund - inzwischen
in Duisburg zuhause - eine !geometrisch-(aristotelisch-)physikalische Theorie
der Einwirkungen des Oberen auf das Untere mittels "kosmischer" Strahlung,
die - wie es scheint - Gerhard Mercator fürder davon abgehalten
hat, sich an einer solchen Theorie zu versuchen, wenngleich er 1585
im Widmungsschreiben an Johann Wilhelm bei der "ersten" Teil-Lieferung
seiner Tabulae Geographicae (Frankreich,
Niederland, Deutschland) noch schreibt, daß er in einem dritten Teil
seiner kommenden Kosmographie (schlicht als 'Werk' bezeichnet) über
die Natur, ihre Strahlung und den tätigen Einfluß der Himmelskörper
(auf die untere Welt) zu sprechen kommen müsse, um die wahren
Grundlagen der Astrologie darzustellen, "tertio de
eorundem [sc.coelestium corporum] natura,
radatione et operantium conflexu ad veriorem astrologiam inqirendam". (Vgl.
meine Untersuchungen über die Astrologie im Umfeld Mercators
(CD).)
[27]Vernerus In seiner Geographie des Ptolemäus: "In Ptolemae geographiam annotationes", Norimbergae 1514, liber 1, beschrieb er u.a. wie man mit Hilfe des Mondes (den "Monddistanzen", das sind die Winkeldifferenzen der Gestirne inbezug auf die stunden- und tageweise veränderten Stellungen des Mondes) Längenmessungen auf hoher See durchführen kann. [28]einer der ersten Martin Waldseemüller titelte seine Große Weltkarte 1507 nicht nur als "universalis cosmographia", er gab auch dem als Erläuterungsband beigegebenen Bändchen den Titel "cosmographia liber" Als erster kleinerer literarischer Ausweis, der aber gleichzeitig schon seinen Anspruch auf Gehör anzeigt, kann die Frucht seiner Schreibausbildung während seiner Schulzeit in 's-Hertogenbosch und seiner "Gehversuche" 1537ff angesehen werden: seine Arbeit über den Gebrauch der lateinischen Kursivschrift in kartographischer Absicht: Literarum latinarum, quas italicas, cursoriasque vocant, scribendarum ratio [30]Kosmographie Im Versteigerungskatalog finden wir die Munsteri cosmographia [universalis], Basel, angezeigt. [31]kosmographische Werk Ich behalte diesen Titel (auch) für die Kosmographischen Gedanken bei, obgleich er hier zu kurz greift. [32]Chronologie Nicht nur, daß eine von Gerhard Mercator nicht unterstützte (gewissermaßen: 2.) Auflage der Chronologie von Matthaeus Beroaldus 1575 erschienen ist, er selbst hat - ausweislich des Versteigerungskatalogs von 1604 - fortwährend für die Chronologie weiter exzerpiert: "Chronologia Gerardi Mercatoris emendata, & aucta, ab Autore manuscripta". [33]Spätestens Im Versteigerungskatalog werden eine Ausgabe Basel 1559 in folio sowie eine Ausgabe Paris 1531 in octavo aufgeführt. [34]isagogen Damit haben wir einen weiteren Hinweis auf die Benutzung der Attischen Nächte durch Gerhard Mercator: A.Gellius brachte mit diesem Wort das griechische Wort ei'sagwgh´ in die lateinische Sprache ein. Vgl. W.Teuffel: Geschichte der römischen Literatur6, §365. [35]Cosmopoeiae kosmoV, gr. die Ordnung. Pythagoras soll mit diesem Wort als erster das Weltall als ein "wohlgerundetes Ganzes" bezeichnet haben; poi´hsiV, gr. das Machen, daher: die Herstellung, die Schöpfung. [36]narratio brevis Comopoeiae (b8v-c4v) Einen weiteren Auszug aus der "Kosmographie des Vaters" finden wir auch im Subskript der Globularweltkarte von 1587/1595 - nach der Weltkarte von 1569 gezeichnet - von Rumold Mercator. Dieser Auszug ist nun aber nicht wie bei Bartholomäus als "Fundament aller Philosophie" bzw. "ad pleniorem initorum Astronomiae intellectum" ausgewiesen, sondern allen "Studenten der Geographie" gewidmet: denn ein solcher "studiosus Geographiae ante omnia consideret mundi creationem", möge vor Allem die Erschaffung der Welt [auf die folgende Art und Weise seines Vaters] bedenken. |
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