Aratos
Ich spreche im folgenden von der Hypothese oder dem System des Aratos, wenn von dem geo-heliozentrischen System der chaldäischen Astronomie (Macrobius, weiter unten) die Rede ist: Wir werden sehen, daß  dieses System in der Geschichte der griechischen Astronomie am Namen des Herakleides von Pontos (388-315) festgemacht werden kann: 
  • Damit ist nicht auszuschließen, daß auch schon Eudoxus von Knidos (409-359) und Aratos (310-245), der die Phainomena des Pseudo-Eudoxus (vgl. Anm.38) dichterisch gestaltet, die "ägytisch-chaldäischen Hypothesen" kannten. Im 9.Jh.n.Chr. tauchen dann zum ersten Mal in den Aratos / Germanicus-Handschriften die Illustrationen auf, die später in die ersten Drucke aufgenommen werden.
Da das Planisphärium des Aratos eindeutig die ägyptisch- chaldäische Sicht des Planetensystems favorisiert (siehe die folgenden Bilder), wollen wir vom System des Aratos oder den "ägyptisch-chaldäischen Hypothesen“, aber / und nicht vom System des Herakleides sprechen.

abgeleitet
Neuere Forschungen zeigen (Böker 1951), daß die Vorlagen der Aratos-Dichtung womöglich älterer als eudoxischer Herkunft sind. Daß dann Hipparch in seiner Kritik Aratos / Eudoxus "Unrecht“ tut, hat nichts mit der Tatsache zu tun, daß die mit der Aratos-Dichtung schließlich bei Cicero, Vitruv und anderen verbundenen Sonnenmetaphysik der Antike und der folgenden christlichen Zeit spätestens bei dem Neuplatoniker Macrobius (um 422 n.Chr.) astronomisch als "chaldäische Hypothese" apostrophiert wird.


beigefügt
Theon von Alexandrien - um 365 n.Chr. - hat Scholia in Aratum geschrieben, die auch in der Pariser Ausgabe von Guilhelmus Morelius 1559 vorkommen. Theon von Alexandria darf dabei nicht mit Theon von Smyrna - um 130 n.Chr. - verwechselt werden. Theon von Smyrna ist ein (vereinzelter) Zeuge der Reihenfolge Mond-Venus-Merkur-Sonne.


Cicero
Auf das System des Stoikers Aratos kommt Cicero  in seinem zweiten Buch Über das Wesen der Götter zu sprechen. 
Der (römische) Stoiker Balbus, der in diesem Buche die Lehre der Stoa - was die Astronomie betrifft: anhand der Phänome des Aratos und der chaldäischen Lehren - vorträgt, sagt in 119: infraque Martem duae soli oboediant, ipse sol mundum omnem sua luce compleat, und die beiden Planeten unterhalb des Mars fügen sich der Sonne (= sind der Sonne angeschlossen), die Sonne selbst erfüllt das gesamte Weltall mit ihrem Licht. Das ist nur erklärbar, wenn hier von der "chaldäischen Hypothese“ die Rede ist, die Macrobius in seinem Scipio-Kommentar zur Erklärung der Differenzen zwischen Cicero (chaldäischer Standpunkt) und Plato (ägyptischer Standpunkt) der "ägyptischen Hypothese“ gegenüberstellt. 
Daß Venus und Merkur der Sonne "unterworfen" seien - wie so mancher philologische Ausleger des Cicero sagt -, weil sie ihr am nächsten seien, ist willkürlich und im Unverständnis der astronomischen Dinge, die im Vortrag des Lucilius Balbus anstehen, begründet. Cicero läßt Balbus so formulieren, weil er sich rühmt, schon "als sehr junger Mann" (im Alter von 17 bis 22 Jahren) die Phänomene des Aratos ins Lateinische übertragen zu haben  (2, 104ff). Vgl. de natura deorum 2,53.

Aratos-Ausgabe
Eine Ausgabe mit dem Editionsort Colo[nia] = Köln und -jahr 1569 haben ich (noch) nicht gefunden, wohl aber eine Ausgabe Aratou jainomena = Arati phaenomena. Ciceronis in Arati phaenomena interpretatio, quae multo & amplior est & emendatior, quam vulgata [Venedig 1499?]. Accesserunt his Vergilii, Germanici Caesaris, & Rufi Avieni carmina, iis respondentia Arati, quae a Cicerone conversa interciderunt. Haec autem latina omnia graecis ex altera parte respondent Joachimi Perionii opera, cuius observationes simul eduntur. Parisiis, Jo.Lod.Libetanus, 1540, im Quartformat. (Die Anmerkungen des Perionius betreffen allein die Übersetzung Ciceros.)
Es ist unwahrscheinlich, daß Colo. als Colonia Munatiana = Basel zu lesen ist: Wie bei der vermeintlichen Kölner Ausgabe ging meine Suche nach einer Baseler-1569-Ausgabe bislang fehl. Aber es wäre interessant in Erfahrung zu bringen, ob die ?Kölner Ausgabe auch die Sternbilder und die Planisphäre der Caesar-Germanicus-Handschriften und -drucke enthält. Hugo Grotius hat diese Bilder seiner Aratos-Ausgabe Syntagma Arateorum, 1600, beigefügt: Hugonis Grotii Syntagma Arateorum. Ex officina Plantiniana ap. Christo. Rapheleng. 1600, im Quartformat. Die Illustrationen hat der Kupferstecher van Gheym angefertigt.
Atlas coelestis


Harmonia Macrocosmica
Dieser Atlas erschien als 11. Band des Großen Atlas (1658) von Janssonius in den Jahren 1660/1661 als Uranographia, als Himmelsbeschreibung.


Sonne als Mittelpunkt
Die in der Planisphäre - im Original wie in den Nachbildern - angebotene "Lösung“ des ägyptisch-chaldäischen "Konflikts“ der Anordnung der Planeten, verbunden mit der Sonnenzentrik von Merkur und Venus, ist frappierend: 
In der Planisphäre der Aratos-Kommentare kreisen einerseits Merkur und Venus korrekt um die Sonne: Merkur ist der sonnennähere Trabant, andererseits aber laufen beide auch auf Deferenten so um die Erde, daß die chaldäisch-ciceronische Abfolge in der Planisphäre präsent ist:
Erde-Mond-Merkur-Venus-Sonne-Mars-Jupiter-Saturn.
Ein Kompomiß ohnegleichen.

Die chaldäische Reihenfolge der Gestirne ist - wenn man Venus und Merkur in die lineare Ordnung „einreiht“ - die folgende: 

Erde Mond-Merkur-Venus-Sonne-Mars-Jupiter-Saturn.
Die Reihenfolge Mond-Venus-Merkus-Sonne wird selten diskutiert (Philo, Theon, Chaldicius): Über die damit einhergehende mathematisch-astronomische Geometrisierung  später.

Kompromiß
... der von B.L. van der Waerden in seinem Buche Die Astronomie der Griechen als "heliodynamisches System“ bezeichnet wird (S.305).

Der norddeutsche Mathematiker und Astronom Nicolaus Reimarus Ursus oder auch Nicolaus Reymers (1551-1600) - ein Autodidakt im Lesen und Schreiben, in Latein, Griechisch und Französisch - trat nach einer Landvermessertätigkeit in Diensten Rantzaus (1526-1598) in den Dienst des dänischen Edelmannes Erik Lange. Mit diesem besuchte er 1584 zwei Wochen lang Tycho Brahe. In ausgedehnten Gesprächen mit Tycho lernte er offenbar dessen - damals noch nicht veröffentlichten - Weltentwurf des heliodynamischen System kennen.
Als Reymers 1585 | 1586 Hauslehrer bei zwei pommerschen Adelsfamilien war, entwarf er sein Modell eines heliodynamischen Weltsystems, daß dem des Tycho Brahe zum Verwechseln ähnlich war:
 

1596 beschuldigte Tycho Brahe in einem Briefwechsel mit dem Landgrafen von Hessen-Kassel Reymers, ihm die Idee zu seinem Weltsystem 1584 beim Besuch auf der Insel Ven gestohlen zu haben. Brahe veröffentlichte diese Anschuldigung im gleichen Jahr in seinen "Astronomischen Briefen". 
Der resultierende heftige Streit zwischen Reymers und Brahe entschied Brahe wegen seines großen Einflusses für sich. 

Es ist offensichtlich, daß Reimarus das Marsbahn-Problem des Tycho nicht verstanden hatte.



ptolemäischen


copernicanischen

kreisen
 
De Witt (und andere Uranographen des 17.Jhs, z.B. Cellarius) zeigen - zutreffend dem Original von 1584/1588 folgend - die Erde im Mittelpunkt ihrer Brahe-Rekonstruktionen. 
Rekonstruktionen, die - scheinbar - die Sonne in den Mittelpunkt des Bildes bringen, mißachten Brahes Auffassungen. 
Als ein Kennzeichen des Brahe-Originals ist dabei zu beachten, daß bei Brahe die Sonnenbahn einzig und allein die Marsbahn schneidet.
Im Weltbild Brahes bedeutet die Tatsache, daß die Bahnen der "oberen Planeten“ auch die Erde einschließen, nicht, daß Brahe sie an die Erde anschließt, d.h. sie um Erde als Mittelpunkt (exzentrisch) kreisen läßt.


Aber
So Ernst Zinner in seinem Copernicus-Buch S.306.52 

Vorbereitung
In seiner Chronologie macht Gerhard Mercator auf ein Versehen des Copernicus bei der Berechnung der Zwischenzeit zwischen seinen - des Copernicus - und den antiken Beobachtungen aufmerksam.

Adolf Müller machte 1898 auf ein im Vatikan (Bibl.Vaticana Palat. III, 103) befindliches Exemplar der Revolutionen des Copernicus aufmerksam, auf dessen Titelblatt Pirmin Gasser - der Freund des Rheticus - die Beobachtung Gerhard Mercators festgehalten hat: Ab observatione hac 21 anno Ptolemaei Philadelphi Regis Aegytiae usque ad praesentem elapsos esse scribit annos 1768 Aegytiacos dies 200, 33', quae efficiunt Julianicos 1767 dies 123,33'. Hic nonulli annum unum abundare volunt ut est in reliquis observationibus. Vide Chronol. Gerardi Mercatoris [160,161].

Ob Gerhard Mercator die Sternentafel f.46v ff. der Revolutionen benutzt hat, um die dort angeführten ekliptischen Koordinaten auf äquatoriale umzurechnen, ist für mich noch nicht entschieden.