Ausschnitt aus der Bordüre der Karte
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Erhard Etzlaub und die Methode der vergrößerten Breitenabstände .
In ihrer Abhandlung über "Erhard Etzlaub's Projection and Methods of Mapping" in der Zeitschrift Imago Mundi Cartographica, 48,1996, 103-123, schlägt Brigitte Englisch vor, ab dato nur noch von einer "Etzlaub-Mercator-Projektion" zu reden, da Etzlaub sehr wohl die Übertragung der Projektionsmethode der Romweg-Karte - wie sie nachweist: die stereographische Projektion - auf den Kompaßdeckeln als "Methode der vergrößerten Breiten" gelungen sei.
Man beachte:
Mercators Entwurf ist eine vermittelte Zylinder-Abbildung (= normalachsiger winkeltreuer echter Zylinderentwurf).
Etzlaub - wohlwissend um die fehlende Längentreue seiner Projektion - kennzeichnet die (romweg-hauptsächlichen) Entfernungen zwischen A und B jeweils mit einer "Perlen"schnur von A nach B, wobei éine "Perle" - éin Distanz-Punkt - éine Germanische Meile = 7.5 km repräsentiert:.Figur 1
Figur 2
in den Zylinder-Entwurf der Vergrößerten Breiten umschreiben kann:
Figur 4
Dl = 30°.
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Die Daten der Karte von 1511 (1996) |
Die 1996 vorgelegte Fotografie des Kompastdeckels des Sonnenkompasts aus 1511, der im Besitz des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg und von Eckert - zusätzlich zum Drecker-Exemplar von 1513 - untersucht worden ist, nehme ich zur Veranlassung einer erneuten Überprüfung auf ihre Eigenschaft als Karte der Vergrößerten Breiten hin. Ich zitiere sie als [1996]. | Figur 5
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Die Sonnenkompaste von 1511 und 1513 haben unterschiedliche Größen: Der Kompast [1511] mißt 80 x 108 (bzw. 110) mm² 5,
Figur 6
Erhard Etzlaub 1511 Die Sonnenkompast-Karte des Erhard Etzlaub diente offenbar allein dem Zweck, dem Käufer von Kompaß und Romweg- Karte eine "händige" Tabelle von (vielen) Orts-Breiten zur Verfügung zu stellen, die (anderswo) häufig in Form einer Tabelle dem Kompaß mitgegeben wurde. *) Eine winkeltreue Darstellung war dazu keineswegs vonnöten. |
der Kompast [1513]
dagegen 84 x 116 mm².
Die Deckelkarten des Erhard Etzlaub weisen von unten nach oben
(Süden am oberen Kartenrand) eine Folge von sich verkleinernden Breiten
aus, so daß J. Drecker der Auffassung wurde, es handele sich
bei den "Karten" des Erhard Etzlaub um "Karten wachsender Breiten"
nach der Art der Weltkarte Ad usum navigantium
des Gerhard Mercator von 1569.
Die Fülle der chorograpischen Einträge verhindert eine (brauchbare) Darstellung des Gradnetzes; Längengradangaben fehlen ganz. |
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Bei den Rechnungen zu [1996] gehe ich von der Länge von 108 mm aus. Obgleich das Verfahren als wissenschaftstheoretisch wie -historisch bedenklich einzuschätzen ist, prüfe ich die Daten der Karte [1996] zuerst in einem unmittelbaren Vergleich mit der modernen Theorie der Methode der Vergrößerten Breiten - wie er auch bei Drecker 6 und Eckert 7 vorliegt.
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Da nach C.F.Gauß übertriebene Genauigkeit
in den Resultaten allein zu erkennen gibt, daß die eigentliche Problematik
verfehlt wird, lege ich bei den Resultaten in den Spalten 4 und 5 nur auf
eine Nachkommastelle gerundete Werte vor: Es ist zu bedenken, daß
allein Zehntelmillimeter zeichenfähig sind - das gilt für den
Kupferstecher
Mercator und erst recht für den Holzschnittmeister
Etzlaub
(bzw.
Glockendon),
dessen Raster-Schnitte bis zu 0.5 mm breit sind. Drecker spricht
1917
davon, daß "die Ausführung der Arbeit
[durch Etzlaub] eine Messung bis zu +|- 0.2
mm gestattet."
Die internen Rechnungen haben eine 15stellige Genauigkeit.Man bedenke:
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Viel wichtiger aber ist es, beim Etzlaub-Rätsel - wie es von Drecker 1917 "gelöst" worden ist - statt auf (meine) 67 Meßwerte auf die Meßreihen von 1917 Acht zu geben. Schauen wir uns daher im Umfeld der Daten Dreckers um: Drecker teilt ausschließlich 14 Meßwerte für
die Breitengrade n·5°, n=1..13, n=14: 66.5°, mit und berechnet
aus ihnen die Abbildungsradien r5° ... r66.5° :
Zwei Dinge fallen auf: (1) Drecker berechnet nicht alle Radien korrekt, selbst wenn man sich auf einstellige Werte bei den "Meridianteilen" - so bezeichnet Drecker die absoluten Breitendifferenzen in mm - einläßt: 10°: 62.8 | 62.7; 25°: 62.0 | 62.1; 66.5°: 62.2 | 62.4.Tabelle 3
Drecker gibt den mittleren Radius korrekt mit r = 62.24 mm an. ("Genauere" Berechnungen führen auf r = 62.19 mm mit einer Streuung s = 0.46 mm.)Beim Übergang von den Summen der "Meridianteile" zu den Meridionalwinkeln F der vergrößerten Breiten - vom Äquator aus gemessen - erhält man für die Meßwerte Dreckers die folgenden Zusammenhänge:
Die Fehlermittelwerte betragen für jeweils 14 Meßwerte:Das aber heißt: .
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Die hier vorgelegten Überlegungen zur Rekonstruktion der Methode der Vergrößerten Breiten sind aus den methodischen Rekonstruktionsbemühungen um die Welt- und Seekarte Gerhard Mercators Ad Usum Navigantium von 1569 hervorgegangen. Als ich im Dezember 1992 in Basel den dort befindlichen Originaldruck der Welt- und Seekarte Gerhard Mercators aus dem Jahre 1569 kartometrisch aufmessen durfte, erkannte ich, daß meine wissenschaftstheoretischen Bedenken gegen alle bisherigen Untersuchungen zur Entstehung der Karte Ad Usum Navigantium endlich ein fundamentum in re gefunden hatten: Unter Zuhilfenahme der Infinitesimalrechnung der Herren Leibniz und Newton mußten alle (bislang vorgelegten) Überlegungen zur Entstehung der Methode der Wachsenden Breiten (bezogen auf Gerhard Mercator) in die Irre gehen, da sie - wissenschaftsgeschichtlich betrachtet - nicht dem mathematischen Kenntnisstand Gerhard Mercators entsprachen 10, der offenbar die Vergrößerten Breitengrade nicht berechnet sondern allein konstruiert hat, allein aus der Erkenntnis heraus - formuliert in seiner Ansprache an den Geneigten Leser (und Benutzer) der Karte Ad Usum Navigantium - , daß die Breitengrade zu beiden
Polen hin allmählich zu vergrößern sind im Verhältnis zum Anwachsen der Breitenparallelen (bzw. -abschnitte zwischen zwei Breitengraden) über das Maß hinaus, welches sie zum Äquator (bzw -abschnitt) haben. Erst die Umsetzung dieses Gedankens mit Hilfe der Sehnentrigonometrie des Hipparch | Ptolemäus ermöglichte mir die Berechnung der Restruktionstabellen - Parameter waren die in den Diskussionen um Mercators Weltkarte aufgetretenen 10°-Äquator-Differenz-Maße - , mit denen ich nach Basel fuhr, um dort am Basler Exemplar der Weltkarte meine Hypothesen zu überprüfen. (Vgl. die Duisburger Forschungen 41 (1994) 1-92; Die konstruktive Lösung 34ff..).
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Die Kompastkarten sind nie genau ihrer Längengrad-Dimension nach vermessen worden. Drecker hat 1917 Dl über alles mit etwa 60° angegeben: "Sie [die Karte] reicht vom Äquator bis zum nördlichen Polarkreis [den setzt er mit 66.5° N an, statt wie auf der Karte selbst mit 67°N] und von dem Meridian, der die Westküste Afrikas berührt [in Wirklichkeit tut er das nicht] bis zu dem Meridian, der etwa durch die Straße von Aden geht. Da die Breite der Karte 72 mm, der Abstand der genannten Meridiane 60 Äquatorgrade beträgt, so kommen wir auf einen Äquatorgrad von 1.2 mm." Diese Bestimmung wird von Drecker verworfen, weil sie ihm - salopp gesprochen - nicht in den Kram paßt; aber selbst bei der Berechnung von 10 Äquatorgraden zu 11 mm aus dem zuvor berechneten mittleren Radius von 62.24 mm unterläuft ihm ein Fehler, - oder wir akzeptieren, daß der korrekte Wert von 10.86 mm unkommentiert auf 11 mm - eigentlich auf 11.00 - aufgerundet werden soll. Orientiert man sich bei der Vermessung der 1511er-Karte
den Längengraden nach an möglichst westlich bzw. östlich
gelegenen Identifikationspunkten, so ergibt sich das Folgende (als Referenzkarte
die Welt- und Seekarte Mercators von 1569
vorausgesetzt) 11:
Bezieht man beide Aussagen nun auf die tatsächlichen Ausmaße des Kompastdeckels von 1511, so erhält man eine Längendifferenz Dl von 56.8° (über alles). Daraus folgen(a) r = 65.57 mm - die Karte selbst ist 65 mm breit (!) - undEine "ptolemäische" Rekonstruktion auf Grund des Ansatzes von 1994 führt zu einer Karte mit Dj ~ 100.8 mm - die Karte selbst deckt eine Breitendifferenz von 93 mm ab. Wendet man Dreckers Heraus-Herein-Methode an, so erhält man:
Alle oben beigebrachten Daten, aus dem Versuch abgeleitet, die Methode des Erhard Etzlaub mit den modernen Methoden der loxodromischen Trigonometrie in Zusammenhang zu bringen, zeigen in recht bestimmter Weise, daß alle derartigen Versuche zum Scheitern verurteilt sind: Erhard Etzlaub ist mit der Loxodromie nicht beizukommen.Der Ansatz, über eine fallweise "Verbesserung" der Marinus-Abbildung sich der Methode Etzlaubens zu nähern, d.h. von der Idee der Plattkarten zu "Karten wachsender Breiten" inklusive der Karten Etzlaubensmit wachsenden Breiten zu gelangen, muß wohl deshalb scheitern, weil dieser Ansatz zu sehr der Problematik "damaliger" Seekarten verbunden ist, an der die "Landratte" Etzlaub wohl überhaupt nicht interessiert gewesen ist - so meine Vermutung schon 1994. Vielleicht ist die naheliegendste Erklärung des Etzlaubenschen Kartenbildes doch diese, die Johannes Willers 1992 im FOCUS BEHAIM GLOBUS gegeben hat 1. Selbst wenn - mit Drecker S.224 - anzunehmen ist, daß sich der Canon auf einen Kompast vor 1511 - ohne Deckelkarte ? - bezieht, so ist mit dem Auftreten der Karten mit vergrößerten Breiten keineswegs die These gestützt, daß der Bezug auf die Romweg-Karte deshalb hinfällig sei, weil die Sonnenkompastkarten winkeltreu wären. Wie die vorgeführten Relationen zeigen, sind die Karten des Erhard Etzlaub mit vergrößerten Breiten durchaus nicht als winkeltreue "Karten vergrößerter Breiten" anzusehen.
Erhard Etzlaub als einen "Vorläufer" Gerhard Mercators anzusehen , bleibt weiter ohne fundamantum in re - aller Berufung auf Drecker zum Trotz.
(b) wegen einer fehlenden genaueren Vermessung der Karte die Bezugsgröße Dl - und damit den loxodromisch-bestimmten Kugelradius r nicht korrekt bestimmt zu haben:
F.W.Krücken, Düsseldorf, 20. Juli 2004 |
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"Etzlaub transferred the(se) principles of a conformal projection to his Compass map (1501[1511]) by using a projection with varying latitudes. The Compass Map is thus a logical continuation of the projective principles of his first maps and their transformation into an innovative model."Penelope Gouk: "The Ivory Sundials of Nuremberg 1500-1700", Cambrigde 1988,87 (71): "In order to minimize distortion in projecting the surfaceof a sphere on a plane, Etzlaub narrowed the space between the latitudes toward the south, thereby anticipating Mercator's projection by some fifty years." Allerdings hat Mercators Projektion überhaupt nichts mit einem "minimizing of distortion" zu tun!
"Mercator's Projection
A revolutionary invention (possibly first used by Etzlaub ca. 1511; however, it was for sure only widely known after Mercator's atlas of 1569), the cylindrical projection bearing his name has a remarkable property: any straight line between two points bears a constant deviation from the compass points."
"The Mercator projection is named for Gerardus Mercator, who presented it for navigation in 1569. It is now known to have been used for the Tunhuang star chart as early as 940 by Ch'ien Lo-Chih. It was first used in Europe by Erhard Etzlaub in 1511. It is also, but rarely, called the Wright projection, after Edward Wright, who developed the mathematics behind the projection in 1599."
"Der Mercator-Entwurf, den Erhard Etzlaub schon um 1500 angewandt hatte, wurde durch Mercators 1569 geschaffene Seefahrerkarte allgemein eingeführt."
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Figur 16
Figur 17
Dläq = 11[mm]
Þ
r = (11[mm]*36)/(2*p) = 63.03[mm] ÞF10°
= 11.06[mm]
...
Dläq = 10.86[mm]
Þ
r = (11[mm]*36)/(2*p) = 62.22[mm] ÞF10°
= 10.91[mm]
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Figur 18 veranschaulicht noch einmal die Nicht-Überführbarkeit
der stereographischen Eintafel-Projektion in die (vermittelte) Zylinder-Abbildung
Gerhard
Mercators.
Figur 19 |
Figur 20 |
Figur 21 |