Ausschnitt aus der Bordüre der Karte
Ad Usum Navigantium 1569


Erhard Etzlaub und die Methode der vergrößerten Breitenabstände
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Da die "Gutenberg-Form" dieser Analyse erst später 

Vorbemerkung
erscheint, setze ich sie schon jetzt (20.7.05) ins WWW.
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Die "Gutenbergform" einer 'abschließenden' Erörterung des Etzlaub::Mercator-Themas ist als vierte Abhandlung unter dem Titel "Ad maiorem Gerardi Mercatoris gloriam Bd 1 - Abhandlungen zum Leben und Werk Gerhard Mercators -" = ISBN 978-3-86582-895-8 bei Monsenstein & Vannerdat, Münster, im August 2009 erschienen.
In einem Kapitel über die Beziehung der Romweg-Karte Etzlaubens zu seinen Sonnenkompast-Produktionen der Jahre 1511 und 1513 wird aufgewiesen, welche konstruktiven Ideen beiden KompastdeckelKarten wohl zu Grunde gelegen haben, so dass Etzlaub::Mercator-"Problem" ad acta  gelegt werden kann: Die Sonnenkompastkarten Etzlaubens besitzen keine loxodromische Struktur..
 
Immer wieder liest man, daß der Nürnberger Karten- und Kompastmacher Erhard Etzlaub über 50 Jahre vor dem Erscheinen der ersten Weltkarte - angefertigt nach der "Methode der wachsenden Breiten" durch Gerhard Mercator - auf den Deckeln seiner Sonnenkompaste Karten eingeschnitten habe, die - ebenfalls, oder als erste überhaupt - "wachsende Breiten" zeigen. 1
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Alle diese Verlautbarungen berufen sich dabei durchweg auf die Untersuchungen von Josef Drecker aus dem Jahre 1917. 2
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Aus Anlaß des Mercator - Jahres 1994 habe ich in den Duisburger Forschungen die Untersuchungen von Joseph Drecker und Max Eckert aufgenommen und unter der beiherspielenden Überschrift "Oder hatte Gerhard Mercator doch Vorläufer?" mit dem Resultat, daß beide Kompaß-Karten nur schwache Korrelationen zur Methode Mercators haben, untersucht. 3
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Projektion | Entwurf

In ihrer Abhandlung über "Erhard Etzlaub's Projection and Methods of Mapping"  in der Zeitschrift Imago Mundi Cartographica, 48,1996, 103-123, schlägt Brigitte Englisch vor, ab dato nur noch von einer "Etzlaub-Mercator-Projektion" zu reden, da Etzlaub sehr wohl die Übertragung der Projektionsmethode der Romweg-Karte - wie sie nachweist: die stereographische Projektion - auf den Kompaßdeckeln als "Methode der vergrößerten Breiten" gelungen sei. 


Man beachte: 
  • Die stereographische Projektion (Hipparchs: um 160-125 vC) ist zwar wie der Mercator-Entwurf von 1569  eine winkeltreue Abbildung , - aber das ist auch schon die einzige Gemeinsamkeit beider Entwurfsarten: 
      Hipparchs Abbildung ist eine Eintafel-Projektion
      Mercators Entwurf ist eine vermittelte Zylinder-Abbildung (= normalachsiger winkeltreuer echter Zylinderentwurf).
  • Die stereographische Projektion ist - wie der Mercator-Entwurf - i.a. nicht längentreu. Aber Mercator hat die loxodromisch-bestimmte Längenstruktur seiner Karte der Vergrößerten Breiten richtig erkannt und das daraus resultierende Längenmessungsverfahren in den Legenden Brevis usus Organi Directorii und Distantiae locorum mensurandae modus mit Hilfe des Organon directorii korrekt beschrieben. 
    Etzlaub - wohlwissend um die fehlende Längentreue seiner Projektion - kennzeichnet die (romweg-hauptsächlichen) Entfernungen zwischen A und B jeweils mit einer "Perlen"schnur von A nach B, wobei éine "Perle" - éin Distanz-Punkt - éine Germanische Meile = 7.5 km repräsentiert:
    .Figur 1
  • Es bleibt in jedem Falle zu erklären, wie man die Methode der stereographischen Eintafel-Projektion 
    •  
      Figur 2
Etzlaub-Projektion
in den Zylinder-Entwurf der Vergrößerten Breiten umschreiben kann:

Figur 3

Mercator-Entwurf

Figur 4

Man vergleiche die Tissot-Indikatrices beider Abbildungsarten; 
Dl = 30°.


  • Daß es sich bei Hipparch um eine Perspektive ("Projektion") handelt, bei Mercator aber nur ein "Entwurf" - eine "vermittelte" Abbildung (eine Projektion i.a.S. der Mathematik) vorliegt, ist deutlich erkennbar.
  • Das "Rätsel der Sonnenkompastkarte" (das "Etzlaub-Rätsel" - so möchte ich die infrage stehende Problematik bezeichnen -) wäre gelöst, 
    1. wüßte man konkret um die Methode des Entwurfs 
    2. gelänge es, die Hipparch-Projektion - der Romweg-Karte - konstruktiv in den Mercator-Entwurf überzuführen.


    Drecker vermutete 1917 sogar: "Nun kann ich den Gedanken nicht unterdrücken, und ich meine, darin müsse mir jeder zustimmen, daß der Verfertiger der Karte diese Darstellungsart hier nicht zum ersten Male angewandt haben wird, da es doch für den besonderen Gebrauch dieser Karte [!] und bei dem kleinen Format gar nicht [!] auf eine winkeltreue Abbildung ankam [!]. Er wird, daran ist ist nicht zu zweifeln [!], derartige Karten in größerem Maßstabe entworfen [!] und den Entwurf für diesen besonderen Zweck verkleinert haben, um ihn auf  dem Holzdeckel seiner Sonnenuhr einzuschneiden." S.220. 4 Bis heute hat sich eine derartige "Vorläufer"-Karte nicht auffinden lassen.

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Die Daten der Karte von 1511 (1996)
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Die 1996 vorgelegte Fotografie des Kompastdeckels des Sonnenkompasts aus 1511, der im Besitz des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg und von Eckert - zusätzlich zum Drecker-Exemplar von 1513 - untersucht worden ist, nehme ich zur Veranlassung einer erneuten Überprüfung auf ihre Eigenschaft als Karte der Vergrößerten Breiten hin. Ich zitiere sie als [1996]. Figur 5

Die Sonnenkompaste von 1511 und 1513 haben unterschiedliche Größen: Der Kompast [1511] mißt 80 x 108 (bzw. 110) mm² 5,

Figur 6

Erhard Etzlaub 1511

Die Sonnenkompast-Karte des Erhard Etzlaub diente offenbar allein dem Zweck, dem Käufer von Kompaß und Romweg- Karte eine "händige" Tabelle von (vielen) Orts-Breiten zur Verfügung zu stellen, die (anderswo) häufig in Form einer Tabelle dem Kompaß mitgegeben wurde. *)

Eine winkeltreue Darstellung war dazu keineswegs vonnöten.

der Kompast [1513] dagegen 84 x 116 mm².
 

Die Deckelkarten des Erhard Etzlaub weisen von unten nach oben (Süden am oberen Kartenrand) eine Folge von sich verkleinernden Breiten aus, so daß J. Drecker der Auffassung wurde, es handele sich bei den "Karten" des Erhard Etzlaub um "Karten wachsender Breiten" nach der Art der Weltkarte Ad usum navigantium des Gerhard Mercator von 1569.

Die Fülle der chorograpischen Einträge verhindert eine (brauchbare) Darstellung des Gradnetzes; Längengradangaben  fehlen ganz.

Das Exemplar von Joseph Drecker (1925)
Figur 7

Bei den Rechnungen zu [1996] gehe ich von der Länge von 108 mm aus. Obgleich das Verfahren als wissenschaftstheoretisch wie -historisch bedenklich einzuschätzen ist, prüfe ich die Daten der Karte [1996] zuerst in einem unmittelbaren Vergleich mit der modernen Theorie der Methode der Vergrößerten Breiten  - wie er auch bei Drecker 6 und Eckert 7 vorliegt.

Erläuterungen zur nebenstehenden Tabelle

1. Die Spalten 1,2,3 verstehen sich von selbst; die Karte [1996]  ist z.B. 4214 Pixel "lang", - was das Kartenaufmaß des Originals von 93 mm bestätigt.

2. Die Karte hat ein Aufmaß von 600 dpi.
Daraus ergeben sich die Daten der Karte [1996] in den Spalten 4 und 5.

3. Geht man nun - mit Drecker (und Eckert) zur Berechnung des der Etzlaub-Karte [1996] zugrunde liegenden mittleren Abbildungsradius  r über, so erhält man die Werte in der Spalte "r".

Nach der loxodromischen Trigonometrie geht man dabei von der Beziehung
y = r·ln(tan(p/4+j/2))
aus und löst sie nach r auf.
4. Rechnet man die "absoluten" Maße der Spalte 5 in die betreffenden "relativen" Maße der Meridionalwinkel (Breitengrade vom Äquator aus gemessen) um, so erhält man die Werte der Spalte "vgB.", die nun mit den "theoretischen" Winkeln der vergrößerten Breiten in der Spalte "Theorie" verglichen werden können
Dabei gilt z.B. das Folgende: 
die 10°-Breite des Globus wird in der Mercatorkarte auf 10.05° vergrößert abgebildet, 
...
die 65°-Breite des Globus wird in der Mercatorkarte auf 86.31° vergrößert abgebildet,
... .
Für die | Differenzen | [1996]: Theorie gilt:  m = 1.015 , s= 0.804.

5. In der 10. Spalte stehen die Vergrößerten Breiten der Etzlaub-Karte im Originalaufmaß.

Tabelle 1
Da nach C.F.Gauß übertriebene Genauigkeit in den Resultaten allein zu erkennen gibt, daß die eigentliche Problematik verfehlt wird, lege ich bei den Resultaten in den Spalten 4 und 5 nur auf eine Nachkommastelle gerundete Werte vor: Es ist zu bedenken, daß allein Zehntelmillimeter zeichenfähig sind - das gilt für den Kupferstecher Mercator und erst recht für den Holzschnittmeister Etzlaub (bzw. Glockendon), dessen Raster-Schnitte bis zu 0.5 mm breit sind. Drecker spricht 1917 davon, daß "die Ausführung der Arbeit [durch Etzlaub] eine Messung bis zu +|- 0.2 mm gestattet.
Die internen Rechnungen haben eine 15stellige Genauigkeit. 
Da Drecker womöglich mit einer fünfstelligen Logarithmentafel gerechnet hat, habe ich weiter unten für den Umgang mit seinen Rechnungen - abgeleitet aus der Aufmessung de Sonnenkompasts von 1513 - ebenfalls eine diesbzügliche Rechengenauigkeit zugrunde gelegt (Tafeln nach F.G.Gauß, Stuttgart 1920): Dennoch ergeben sich 3 Abweichungen: 10° : 62.8 | 62.7 , 25° : 62.0 | 62.1 , 66.5° : 62.2 | 62.4. Für den Radien-Mittelwert ergibt sich eine Streuung von 0.44 mm - d.i. von doppelter Meßgenauigkeit.
(Werden die Vergrößerten Breiten auf die Einstelligkeit der 1511er "Meridianteile" bezogen, so unterscheiden sich diese im Mittel um +|-3 Hunderstel, - so daß ohne Bedenken mit der internen Genauigkeit weitergerechnet werden kann.)
Man bedenke: 
    • So wie schon bei Gerhard Mercator (bis 1994) ist auch bei Erhard Etzlaub der unvermittelte Vergleich mit oder der Bezug der Daten auf die Loxodromen-Trigonometrie wissenschaftstheoretisch bedenklich. Drecker ("... ist eine Übereinstimmung der Karte mit der Theorie nachgewiesen, die auf der großen Weltkarte Mercators, selbst wenn man die neuesten günstigsten Auswertungen von H.Wagner zugrunde legt, absolut betrachtet, nicht größer ist.") kennt nur diesen unmittelbaren Vergleich, wie auch Wagners Untersuchungen in den Annalen der Hydrographie 43,1915. Aber wie bei Gerhard Mercator geht eine Analyse mit alleinigem Bezug auf die (spätere) "Theorie" am mathematischen Kenntnisstand auch des Erhard Etzlaub völlig vorbei.
    • Die ersten Rechnungen zum Mercator-Entwurf finden sich (soweit heute bekannt) schon 12 Jahre früher als Mercators konstruktiver Ansatz bei John Dee 1557 (vgl. meine http://www.wilhelmkruecken.de: John Dee) und münden erst am Ende des Jahrhunderts mit den trigonometrischen Rechnungen Harriots und Wrights langsam aber sicher in eine "Geschichte der Tafeln der Meridionalteile" ein, deren analytisches Rüstzeug erst mit der "abschließenden" Analysis von Leibniz und Newton zur Verfügung steht.8 Die Ableitung der Abbildungsformel aus der Projektiven Geometrie geschieht zum ersten Mal bei Halley (bzw. Cotes in vereinfachter Gestalt)- wohlgemerkt: rein analytisch
    • Daß sich Etzlaub über die Winkeltreue seiner Romweg-Karte im Klaren gewesen ist, zeigt der letzte Satz seines Canon ad compastum 9 an: "Versus quam plagam una civitas ab alia sit sita in charta quam stratam per Romanum imperium nominavi inspiciendum est", was aber die (gerade) Richtung von einer Stadt zur anderen anbetrifft [mit meinem Kompaß zu messen, der zu diesem Zweck an der Seite mit Absehen versehen ist], so hat man ihre Lage in der Karte, die ich 'Romwegkarte' genannt habe, aufzusuchen. (Siehe weiter unten.)
    • Ein Vergleich mit den betreffenden Resultaten der ptolemäischen Sehnentrigonometrie dürfte daher schon angebrachter erscheinen (s.w.u.).

 

Die Meßreihen von 1917
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Viel wichtiger aber ist es, beim Etzlaub-Rätsel - wie es von Drecker 1917 "gelöst" worden ist - statt auf (meine) 67 Meßwerte auf die Meßreihen von 1917 Acht zu geben. 

Schauen wir uns daher im Umfeld der Daten Dreckers um:

Drecker teilt ausschließlich 14 Meßwerte für die Breitengrade n·5°, n=1..13, n=14: 66.5°, mit und berechnet aus ihnen die Abbildungsradien r ... r66.5° :
Tabelle 2

10° 15° 20° 25° 30° 35° 40° 45° 50° 55° 60° 65° 66.5°
mm
5.5 11 16.7 22.2 28.0 34.1 40.2 47.1 54.5 62.7 71.9 82.0 94.5 98.0
r =
63.0 62.8 63.1 62.3 62.0 62.1 61.6 61.7 61.8 62.0 62.3 62.3 62.1 62.2

Zwei Dinge fallen auf: 

(1) Drecker berechnet nicht alle Radien korrekt, selbst wenn man sich auf einstellige Werte bei den "Meridianteilen" - so bezeichnet Drecker die absoluten Breitendifferenzen in mm - einläßt: 10°: 62.8 | 62.7; 25°: 62.0 | 62.1; 66.5°: 62.2 | 62.4.
Rechnet man mit höherer Genauigkeit (vgl.w.o. bei der Mittelung über 67 Meßwerte.), so ergeben sich weitere Abweichungen:
Tabelle 3
r =
62.9 62.7 63.1 62.3 62.1 62.1 61.6 61.7 61.8 62.0 61.5 62.3 62.1 62.4
D
0.1 0.1 0.1 0.8 0.2
Drecker gibt den mittleren Radius korrekt mit r = 62.24 mm an. ("Genauere" Berechnungen führen auf  r = 62.19 mm mit einer Streuung s = 0.46 mm.)

(2) Aus der Berechnung des mittleren Kugelradius zieht Drecker eine erstaunliche Konsequenz: Er berechnet (?) aus r = 62.24 mm eine 10°Äquator-Differenz von 11 mm <> U/36 = 2·p·62.24 mm / 36 = 10.86 mm, - ob man nun für die Kreiszahl p den Näherungswert von Archimedes einsetzt oder aber (z.B.) den Wert der Logarithmentafel: 3.14 159 265. (Aus r = 62.19 mm folgt dann immer noch Dl10° ~ 10.85 mm.)

Beim Übergang von den Summen der "Meridianteile" zu den Meridionalwinkeln F der vergrößerten Breiten - vom Äquator aus gemessen - erhält man für die Meßwerte Dreckers die folgenden Zusammenhänge:
Tabelle 4
10° 15° 20° 25° 30° 35° 40° 45° 50° 55° 60° 65° (66.5°/67°)
Drecker 5.5 11 16.7 22.2 28.0 34.1 40.2 47.1 54.5 62.7 71.9 82.0 94.5 (98.0) mm
vgB (F)
10°=11 mm
5.00 10.00 15.18 20.18 25.45 31.00 36.55 42.82 49.55 57.00 65.36 74.55 85.91 (89.09) °
      =12 mm 4.58 9.17 13.92 18.50 23.33 28.42 33.50 39.25 45.42 52.25 59.92 68.33 78.75 (81.67) °
     =10.86 5.06 10.13 15.38 20.44 25.78 31.40 37.02 43.37 50.18 57.43 66.21 75.51 87.02 (90.24)
Theorie 5.01 10.05 15.17 20.42 25.83 31.47 37.40 43.71 50.50 57.91 66.13 75.46 86.31 (89.97/91.23) °
D11Theorie -0.01° -0.05° 0.01° -0.24° -0.38° -0.47° -0.85° -0.89° -0.95° -0.91° -0.77° -0.91° -0.40° (-0.88°)
D12Theorie -0.43° -0.88° -1.25° -1.92° -2.50° -3.05° -3.90° -4.46° -5.08° -5.66° -6.21° -7.13° -7.56° (-8.30°)
D10.86Theorie 0.05° 0.08° 0.21° 0.02° -0.05° -0.07° -0.38° -0.34° -0.32° -0.48° 0.08° 0.05° 0.71° (0.27°)
Die Fehlermittelwerte betragen für jeweils 14 Meßwerte:
m11 0.55° s11 0.36°
m12 = 4.17° s12 = 2.29°
m10.86 = 0.22° s10.86 0.20°
Tabelle 5

Ich schrieb schon 1994, daß die gute Übereinstimmung [10.86]:[Theorie] nicht überraschen darf, da sie mit dem Dimensionen der Karte von 72 x 98 mm² nicht zusammenstimmt (s.w.u. für [1511]).

Das aber heißt:
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Die Differenzen zwischen den meridionalen Breiten der Karte 1513 und denen der loxodromischen Trigonometrie scheinen zu groß zu sein, als daß Dreckers Argumente von einer "vollkommenen" bzw. "ziemlichen" Übereinstimmung mit der Theorie - auch "innerhalb der durch Größe und Material gezogenen Grenzen" - Zustimmung finden könnten. 
Im Vergleich mit den Daten [1996] wird noch einmal deutlich, daß [1996] eine schwächere Relation zur Theorie aufweist als die Karte 1513.

 

Etzlaub und die Sehnenlehre des Ptolemäus

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Untersuchen wir die ersten 13 Angaben Dreckers in einem Vergleich mit der Rekonstruktion der Methode der Vergrößerten Breiten gemäß der ptolemäischen Sehnentrigonometrie, die bei der Weltkarte von 1569 zu den besten Übereinstimmungen geführt hat und beredt davon zeugt, daß Dreckers Berufung auf Wagner 1915 in die Irre gegangen ist. 

Tabelle 6
10° 15° 20° 25° 30° 35° 40° 45° 50° 55° 60° 65°
Etzlaub 1513  5.5 11.0 16.5 22.2 28.0 34.1 40.2 47.1 54.5 62.7 71.9 82.0 93.5 mm
vgB (F) 10°=11 mm 5.00 10.00 15.00 20.18 25.45 31.00 36.55 42.82 49.55 57.00 65.36 74.55 85.00 °
Theorie  (F) 5.01 10.05 15.17 20.42 25.83 31.47 37.40 43.71 50.50 57.91 66.13 75.46 86.31 °
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Rekonstruktionen                          
11.44 mm 5.5 11.0 16.5 22.2 28.2 34.4 40.9 47.9 55.5 63.7 72.8 83.2 95.3 mm
vgB (F) 4.81 9.62 14.42 19.41 24.65 30.07 35.75 41.87 48.51 55.68 63.64 72.73 83.30 °
DF,Etzlaub 0.19 0.38 0.58 0.77 0.80 0.93 0.80 0.95 1.04 1.32 1.72 1.82 1.70 °
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11.00 mm 5.5 11.0 16.5 22.0 27.6 33.6 39.9 46.6 53.8 61.6 70.4 80.4 92.1 mm
vgB (F) 5.00 10.00 15.00 20.00 25.09 30.55 36.27 42.36 48.91 56.00 64.00 73.09 83.73 °
DF,Etzlaub 0.00 0.00 0.00 0.18 0.36 0.45 0.28 0.46 0.64 1.00 1.36 1.46 1.27 °
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10.86 mm 5.0 10.1 15.6 21.1 26.6 32.6 38.8 45.4 52.5 60.3 69.0 78.9 90.5 mm
vgB (F) 4.60 9.30 14.37 19.43 24.49 30.02 35.73 41.81 48.34 55.53 63.54 72.65 83.33 °
DF,Etzlaub 0.40 0.30 0.63 0.75 0.96 0.98 0.82 1.01 1.21 1.47 1.82 1.90 1.67 °

Die hier vorgelegten Überlegungen zur Rekonstruktion der Methode der Vergrößerten Breiten sind aus den methodischen Rekonstruktionsbemühungen um die Welt- und Seekarte Gerhard Mercators Ad Usum Navigantium von 1569 hervorgegangen. 

Als ich im Dezember 1992 in Basel den dort befindlichen Originaldruck der Welt- und Seekarte Gerhard Mercators aus dem Jahre 1569 kartometrisch aufmessen durfte, erkannte ich, daß meine wissenschaftstheoretischen Bedenken gegen alle bisherigen Untersuchungen zur Entstehung der Karte Ad Usum Navigantium endlich ein fundamentum in re gefunden hatten: Unter Zuhilfenahme der Infinitesimalrechnung der Herren Leibniz und Newton mußten alle (bislang vorgelegten) Überlegungen zur Entstehung der Methode der Wachsenden Breiten (bezogen auf Gerhard Mercator) in die Irre gehen, da sie - wissenschaftsgeschichtlich betrachtet - nicht dem mathematischen Kenntnisstand Gerhard Mercators entsprachen 10, der offenbar die Vergrößerten Breitengrade nicht berechnet sondern allein konstruiert hat, allein aus der Erkenntnis heraus - formuliert in seiner Ansprache an den Geneigten Leser (und Benutzer) der Karte Ad Usum Navigantium - , daß die Breitengrade zu beiden
Figur 8
Polen hin allmählich zu vergrößern sind im Verhältnis zum Anwachsen der Breitenparallelen (bzw. -abschnitte zwischen zwei Breitengraden) über das Maß hinaus, welches sie zum Äquator (bzw -abschnitt) haben. Erst die Umsetzung dieses Gedankens mit Hilfe der Sehnentrigonometrie des Hipparch | Ptolemäus ermöglichte mir die Berechnung der Restruktionstabellen - Parameter waren die in den Diskussionen um Mercators Weltkarte aufgetretenen 10°-Äquator-Differenz-Maße - , mit denen ich nach Basel fuhr, um dort am Basler Exemplar der Weltkarte meine Hypothesen zu überprüfen. (Vgl. die Duisburger Forschungen 41 (1994) 1-92; Die konstruktive Lösung 34ff..) 
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Die vorstehenden Tabellen aber belegen, daß selbst ein derartiger Ansatz der Etzlaubschen Methode - unter Zuhilfenahme der "vermittelnden" Vergrößerung der Marinus-Breiten - nicht gerecht wird. 
Zudem führt die Vermessung der Kompastkarte 1511 der Ausbreitung von Osten nach Westen (der geographischen Länge nach) zu einem weiteren Argument dafür, daß der Vergleich mit der loxodromischen Theorie "eigentlich" nicht statthaft ist.

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Die weitere Vermessung der Karte der Länge nach

Die Kompastkarten sind nie genau ihrer Längengrad-Dimension nach vermessen worden. Drecker hat 1917 Dl über alles mit etwa 60° angegeben: "Sie [die Karte] reicht vom Äquator bis zum nördlichen Polarkreis [den setzt er mit 66.5° N an, statt wie auf der Karte selbst mit 67°N] und von dem Meridian, der die Westküste Afrikas berührt [in Wirklichkeit tut er das nicht] bis zu dem Meridian, der etwa durch die Straße von Aden geht. Da die Breite der Karte 72 mm, der Abstand der genannten Meridiane 60 Äquatorgrade beträgt, so kommen wir auf einen Äquatorgrad von 1.2 mm." Diese Bestimmung wird von Drecker verworfen, weil sie ihm - salopp gesprochen - nicht in den Kram paßt; aber selbst bei der Berechnung von 10 Äquatorgraden zu 11 mm aus dem zuvor berechneten mittleren Radius von 62.24 mm unterläuft ihm ein Fehler, - oder wir akzeptieren, daß der korrekte Wert von 10.86 mm unkommentiert auf 11 mm - eigentlich auf 11.00 - aufgerundet werden soll. 

Orientiert man sich bei der Vermessung der 1511er-Karte den Längengraden nach an möglichst westlich bzw. östlich gelegenen Identifikationspunkten, so ergibt sich das Folgende (als Referenzkarte die Welt- und Seekarte Mercators von 1569 vorausgesetzt) 11:
 


Figur 9
Man setze als westlichste Marke die Westküste von Gran Canaria fest: jEtzlaub = 27°N , jMercator = 27.2°N, lMercator = 3.4°O , und bestimme entsprechend die Koordinaten der am weitesten östlich eingetragenen Stadt Etzlaubens, Nowgorod = nugardia:  jEtzlaub = 61°N, jMercator = 60.6°N, lMercator = 59.3°O
Figur 10
Bezieht man beide Aussagen nun auf die tatsächlichen Ausmaße des Kompastdeckels von 1511, so erhält man eine Längendifferenz Dl von 56.8° (über alles). Daraus folgen 
(a) r = 65.57 mm - die Karte selbst ist 65 mm breit (!) - und 
(b) eine 10°-Äquator-Längendifferenz von 11.44 mm, während sich zufolge der Heraus-Rechnung für [1511] eine 10°-Differenz von 10.53 mm herausrechnet (s.w.o. Tabelle 1: 20.19 mm [1996]).
Eine "ptolemäische" Rekonstruktion auf Grund des Ansatzes von 1994 führt zu einer Karte mit Dj ~ 100.8 mm - die Karte selbst deckt eine Breitendifferenz von 93 mm ab. Wendet man Dreckers Heraus-Herein-Methode an, so erhält man:

Tabelle 7 / 8

10° 15° 20° 25° 30° 35° 40° 45° 50° 55° 60° 65° (67°)
"Meridianteile"  5.5 11.0 16.5 22.2 28.7 34.4 40.9 47.9 55.5 63.7 72.8 83.2 95.3 (100.8) Rekonst.
           " 5.7 11.5 17.4 23.4 29.6 36.0 42.8 50.0 57.8 66.3 75.7 86.4 98.8 (104.3) nach Drecker

 Das aber heißt auch hier: 

Nichts paßt zur Dimension der Karte von 65 x 93 mm² [1511].
 

Fassen wir zusammen:

Alle oben beigebrachten Daten, aus dem Versuch abgeleitet, die Methode des Erhard Etzlaub mit den modernen Methoden der loxodromischen Trigonometrie in Zusammenhang zu bringen, zeigen in recht bestimmter Weise, daß alle derartigen Versuche zum Scheitern verurteilt sind: 

Erhard Etzlaub ist mit der Loxodromie nicht beizukommen.
Der Ansatz, über eine fallweise "Verbesserung" der Marinus-Abbildung sich der Methode Etzlaubens zu nähern, d.h. von der Idee der Plattkarten zu "Karten wachsender Breiten" inklusive der Karten Etzlaubensmit wachsenden Breiten zu gelangen, muß wohl deshalb scheitern, weil dieser Ansatz zu sehr der Problematik "damaliger" Seekarten verbunden ist, an der die "Landratte" Etzlaub wohl überhaupt nicht interessiert gewesen ist - so meine Vermutung schon 1994
Vielleicht ist die naheliegendste Erklärung des Etzlaubenschen Kartenbildes doch diese, die Johannes Willers 1992 im FOCUS BEHAIM GLOBUS gegeben hat 1.
Selbst wenn - mit Drecker S.224 - anzunehmen ist, daß sich der Canon auf  einen Kompast vor 1511 - ohne Deckelkarte ? - bezieht, so ist mit dem Auftreten der Karten mit vergrößerten Breiten keineswegs die These gestützt, daß der Bezug auf die Romweg-Karte deshalb hinfällig sei, weil die Sonnenkompastkarten winkeltreu wären. Wie die vorgeführten Relationen zeigen, sind die Karten des Erhard Etzlaub mit vergrößerten Breiten durchaus nicht als winkeltreue "Karten vergrößerter Breiten" anzusehen.
  • Was sollte die Messung einer Richtung von A nach B auf einer "Karte" so kleinen Ausmaßes schon bringen, - erst recht, wenn es um kleine Entfernungen zu tun ist? Um nur für éine "große" Entfernung (A = Lissabon (9.13W|38.43N), B = Nürnberg (11.08O|49.45N) ) Daten ** beizubringen: 
    Tabelle 9
    auf der Deckelkarte k = 61° rwN D = 15.7 %
    auf der Mercator-Karte k = 55.5° rwN D = 5.2 %
    heutzutage k = 52.74° rwN    rw = N>O>S>W
  • Etwas anderes war es schon, unter Benutzung des Sonnenkompasts auf der Romweg-Karte die Richtung von A nach B - auch und erst recht bei kleinen Entfernungen - zu bestimmen, war doch der (mitgelieferte?) Kompaß gerade dafür gedacht. 12
Man kann durchaus mit Drecker S.220 der Meinung sein: "Berücksichtigt man, daß die Karte in Verbindung mit einer Sonnenuhr steht, zu deren Benutzung man die Breite des Beobachtungsortes benötigte, so erkennt man die Bedeutung der vielen auf so kleinem Raum zusammengedrängten Ortsnamen." ohne auf eine winkeltreue Karte - im Sinne der Kartographie - zu schließen. Um die Käufer seiner Sonnenuhr zugleich mit einer "händigen" Breitentabelle zu versehen, bedurfte es keiner normalachsigen winkeltreuen echten Zylinderabbildung der Breite und der Länge nach. Mit einem "wahren" Abbild der nördlich des Äquators gelegenen bewohnten Weltgegend der Länge und der Breite nach - einer "Karte", vor allem der Länge und den Richtungen nach hinreichend korrekt - brauchte das Abbild nur wenig zu tun haben  - wenn es nur die Breitenstruktur dieser Gegend chorographisch hinreichend genau wiederzugeben in der Lage war. 
  • Und das ist dem Kompastmacher, Kartographen und Astronomen Erhard Etzlaub wohl gelungen: bei der Konstruktion einer auf vielen Breiten tauglichen Sonnenuhr - einzelne Breiten als "mittlere" auszeichnend - dem Käufern gleich eine "händige" Breitentabelle in der Gestalt einer "Karte" mitzuliefern - einer Karte allerdings, die zu nichts anderem tauglich sein brauchte.
  • argumentum ad hominem: Sollte Erhard Etzlaub aber der revolutionäre Entwurf der Karte vergrößerter Breiten wirklich gelungen sein - was alle vorstehenden Argumente und Rechnungen wohl auszuschließen in der Lage sind - , warum hat er dann dem nürnberger Humanistenkreis um Willibald Pirckheimer die neue Entwurfsart nicht vorgestellt, zumal dieser - zu der Zeit - für die geplante Herausgabe eines neuen Ptolemäus-Tafelwerkes auf eine kartographische Fortentwicklung der ptolemäischen Karten erpicht war - und schließlich war es erst Gerhard Mercator, der in seinem Ptolemäus 1584 den doppelt-abweitungstreuen Trapezentwurf einführte. 13
Wenn Drecker S.220 darauf abhebt: "Im allgemeinen zeigt die Karte ja wohl den Charakter der Ptolemäuskarten aus gleicher Zeit", so ist dem sicher zuzustimmen, zumal diese Karten den Gedanken von Willers unterstützen, "daß ihm [Etzlaub damit] die Verzerrungen der Projektion einer Kugeloberfläche auf eine Ebene bekannt gewesen sind." (Auf seiner Romweg-Karte hielten sich die projektiven Verzerrungen - wegen einer relativ geringen Längenausdehnung von 2°O bis 20°O durchaus in Grenzen.)
Figur 11

Würde man sich auf Etzlaubens "Karte" als einer Abbildung der Waldseemüllerkarte berufen, betrüge Dl rund 62°
Figur 14.
Spätestens seit der Waldseemüller-Karte von 1507 konnte Erhard Etzlaub über "wachsende Breiten" in "geradzustreckenden" Karten (Plattkarten) Erkenntnisse gewinnen, die dann - womöglich - in den Entwurf der Kompastdeckel-Karten eingeflossen sind.
Ein systematisches Vorgehen aber - eine Methode - ist bei ihm nicht erkennbar.
 
 

Figur 13

Rekonstruktion nach dem Vorschlag des 
Pedro Nunes (1537)

Figur 15
.Figur 12
Das Verfahren Erhard Etzlaubs zur methodischen Konstruktion der Kompastkarten von 1511 und 1513ist und bleibt rätselhaft - wie schon mein Kollege Bruno Kyewski 14 in den Fünfzigern des vergangenen Jahrhunderts vermutete, als er mich in den Arbeits- und Lebenskreis Gerhard Mercators einführte. 
 
Erhard Etzlaub als einen "Vorläufer" Gerhard Mercators anzusehen , bleibt weiter ohne fundamantum in re - aller Berufung auf Drecker zum Trotz.


Die entscheidenden Verfahrensfehler des Jahres 1917 liegen darin, 

    (a) nicht von dem "absoluten" Aufmaß der Karten 1511 / 1513 - in mm - zum "relativen" Aufmaß der Karte - in Meridionalwinkeln (vergrößerten Breiten F ) - und damit zu einem erst dadurch möglichen Vergleich mit der modernen Theorie übergegangen zu sein, 
    (b) wegen einer fehlenden genaueren Vermessung der Karte die Bezugsgröße Dl - und damit den loxodromisch-bestimmten Kugelradius r nicht korrekt bestimmt zu haben:
     
      Die Ausrufung von Erhard Etzlaub als Vorläufer in der Methode der Wachsenden Breiten hätte gar nicht stattgefunden. 


    Mit der unterschiedlichen Auflösung der Formel y = r·ln(tan(45°+j/2) - nach r "heraus" und nach y wieder "herein" wurde kein wirklicher Vergleich der Meßreihe mit der Theorie - d.h. mit den aus der Theorie folgenden Vergrößerten Breiten F - durchgeführt. Die vermeintlichen Übereinstimmungen sind durch das Hereinrechnen der "Meridianteile" mit Hilfe des vorher aus der Reihe der "Meridianteile"  "herausgerechneten" Abbildungsradius zustande gekommen und also keinesfalls als "Übereinstimmung mit der Theorie" anzusehen.15

.
Auf die Untersuchungen Dreckers von 1917 sollte man sich nicht berufen, um auf einen "Vorläufer der Methode der Vergrößerten Breiten" ernsthaft hinzuweisen.



 F.W.Krücken, Düsseldorf, 20. Juli 2004



1
Man setze eine Internet-Suchmaschine auf die Namen "Erhard Etzlaub" , "Gerhard Mercator" an:
"Etzlaub transferred the(se) principles of a conformal projection to his Compass map (1501[1511]) by using a projection with varying latitudes. The Compass Map is thus a logical continuation of the projective principles of his first maps and their transformation into an innovative model."
"Mercator's Projection
A revolutionary invention (possibly first used by Etzlaub ca. 1511; however, it was for sure only widely known after Mercator's atlas of 1569), the cylindrical projection bearing his name has a remarkable property: any straight line between two points bears a constant deviation from the compass points."
"The Mercator projection is named for Gerardus Mercator, who presented it for navigation in 1569. It is now known to have been used for the Tunhuang star chart as early as 940 by Ch'ien Lo-Chih. It was first used in Europe by Erhard Etzlaub in 1511. It is also, but rarely, called the Wright projection, after Edward Wright, who developed the mathematics behind the projection in 1599."
"Der Mercator-Entwurf, den Erhard Etzlaub schon um 1500 angewandt hatte, wurde durch Mercators 1569 geschaffene Seefahrerkarte allgemein eingeführt."
...
Penelope Gouk: "The Ivory Sundials of Nuremberg 1500-1700", Cambrigde 1988,87 (71): "In order to minimize distortion in projecting the surfaceof a sphere on a plane, Etzlaub narrowed the space between the latitudes toward the south, thereby anticipating Mercator's projection by some fifty years." Allerdings hat Mercators Projektion überhaupt nichts mit einem "minimizing of distortion" zu tun!
Brigitte Englisch: "Erhard Etzlaub's Projection and Methods of Mapping" IN Imago Mundi Cartographica vol.48 (1996) 103-123.
Herbert Krüger beruft sich ebenfalls in seiner Untersuchung Des Nürnberger Meisters Erhard Etzlaub älteste Straßenkarte von Deutschland IN Jahrbuch für fränkische Landesforschung 18 (1958) 1 - 286 auf Drecker: 7, 10, 38f. (S.40 ist die "wahre" Breite von Regensburg fälschlich mit 48°34' angegeben, Etzlaubs Angabe ist korrekt).
Enttäuschend ist, daß der Kartograph Ernst Hammer (Die Mercator-Projektion und - Erhart Etzlaub IN Petermanns Mitteilungen 63, 1917,303-304) sich zu keiner weitergehenderen Prüfung entschließen konnte: "Daß wir hier einen >Mercator<-Entwurf vor uns haben, ist in keiner Weise zweifelhaft."
Im Ausstellungskatalog "FOCUS BEHAIM GLOBUS", Nürnberg 1992, 670, 3.Spalte, schreibt Johannes Willers (den Sonnenkompast von 1511 beschreibend): "An den beiden Rändern der Karte hat er [Etzlaub] die nördlichen Breitengrade von 5° bis 65° abgebildet, allerdings mit unterschiedlichen Abständen, woraus hervorgeht, daß ihm die Verzerrungen der Projektion einer Kugeloberfläche auf eine Ebene bekannt gewesen sind. Es handelt sich dabei um eine Art [!] >Mercator-Projektion< rund 50 Jahre vor der Arbeit Gerhard Mercators."

2
Drecker, Joseph: Ein Instrument, eine Karte und eine Schrift des Nürnberger Kartographen und Kompastmachers Erhard Etzlaub IN Annalen der Hydrographie und Maritimen Meteorologie 45. Jahrgang  (1917), 217-224.
Noch 1925 schreibt Drecker in seinem Buche "Die Theorie der Sonnenuhren" (Die Geschichte der Zeitmessung und der Uhren, hgg. von Ernst von Bassermann, Bd I Lieferung E Berlin/Leipzig 1925), XVI. Tragbare Sonnenuhren, 6. Sonnenuhren mit Magnetnadeln (S.E 97): "Auch geographische Karten kommen auf solchen Sonnenuhren vor, die ... Uhr Erhard Etzlaubs aus dem Jahre 1513 hat auf der Oberseite eine Karte in >>Mercatorprojection<<, ein Beweis, dass diese Darstellungsart lange vor Merkator in Nürnberg bekannt war."



3
Duisburger Forschungen 41 (1994), 1-92
.


4
Häufig findet man in der Literatur auch die (gewissermaßen "stützende") Berufung auf Ernst Hammer (s.Anm.1,302 Sp.2): "Daß wir hier einen >Mercator<-Entwurf vor uns haben, ist in keiner [!] Weise zweifelhaft." Daß es sich um einen Mercator-Entwurf handelt - "sogar verhältnismäßig recht genau" beweisen Hammer die von ihm keineswegs kritisch betrachteten "Tabellen des Verfassers [Drecker] Seite 219 durch den Vergleich mit den genauen >Meridionalteilen< [bei Drecker: Meridianteilen]." Vergleiche das Heraus und Herein in Anm. 6: Erst eine Umsetzung der "Meridianteile" in "Meridionalteile" bzw. "-winkel" hätte einen Vergleich mit der "Theorie" allererst sinnvoll möglich gemacht.
Zur Exaktheit des Kompast-Entwurfs bemerkt B.Englisch: "Moreover [Etzlaubs Karte enthält alle zentralen Eigenschaften der Mercator-Karte1569] , Etzlaub's calculations were so precise that the values of the meridian segments derived from measuring the map diverges on average by no more than 0.17 mm from modern values, a remarkable achievement given the potential for inaccuracy inherent in a map on so small a scale." (Drecker 219f. Vgl. Anm.3)


5
Fritz Schnelbögl "Life and work of the Nuremberg Cartographer Erhard Etzlaub" IN Imago Mundi Cartographica 20, 1966,11-26, hier: S.25.
Im Ausstellungskatalog FOCUS (s.Anm.1) wird [1511] mit 110 mm Länge zitiert. Die Kartenaufmaße sind 65 x 93 mm² (1511) und 72 x 98 mm² (1513).

6
In diesem Vergleich rechnet Drecker (nur) aus seinen Meßwerten den Kugelradius der Abbildung r = 62.24 mm mit Hilfe der Formel ry,j= y/ln(tan(p/4+j/2)) als Mittelwert heraus (die y's sind die von Drecker gemessenen mm-Maße ("Meridianteile" von ihm genannt) der Winkel jn = n·5°, n=1..13; j14 = 66.5°) und rechnet dann mit der nach y aufgelösten Formel yj = 62.24 mm · ln(tan(p/4+j/2)) die y-Werte wieder herein. Anschließend wundert er sich (Mit Verlaub!) über die gute Übereinstimmung zwischen Heraus und Herein: "..., ja, daß die Abstände der Parallelkreise innerhalb der durch Größe und Material gezogenen Grenzen vollkommen [!] mit der Theorie übereinstimmen. [Gesperrt von Drecker.] Es zeigt sich dies noch besonders deutlich, wenn man mit dem oben gefundenen Mittelwert für r nun die Meridianteile y für die Breitengrade berechnet und mit den gemessenen vergleicht." (Weiteres bei Drecker selbst.)

7
M.Eckert teilt 1910 in seiner Hermann Wagner gewidmeten Abhandlung "Die Kartenprojektion" (Geographische Zeitschrift 16, 1910, H.6, H.8, 449, Anm.1) mit, daß August Wolkenhauer "eine kleine Karte aus dem Jahre 1511 gefunden habe, deren Gradnetz vergößerte Breiten aufweise." (Auf der Seite 303 macht er sogar "Anklänge bzw. Vorklänge" der Methode der Vergrößerten Breiten bei Enciso (1519) geltend, die er jedoch in seiner "Kartenwissenschaft" 1921/1925 nicht mehr hört, denn Enciso spricht allein davon, daß der Fehler der gängigen Seekarten darin begründet zu sein scheint, daß sie die Abnahme der Breitenkreisabschnitte nicht respektieren bzw. darstellen.)


8
Natürlich konnten Harriot, Wright und ihre Nachfolger formulieren, daß damit in der Breite j das Verhältnis von 1 : secans(j) angesprochen sei - da sie Mathematiker waren, die Mercators Ergebnisse verinnerlicht hatten, und keine kupferstechenden Kartographen. Das "lösende" sec-Integral ließ noch weitere sechzig Jahre auf sich warten bis zur Analysis der Herren Leibniz und Newton. Daß Mercators Freund John Dee sich schon 12 Jahre vor der Herausgabe der Karte Ad Usum Navigantium der Methode Mercators, zwar nicht als konstruierender wohl aber als rechnender Mathematiker - im Vollbesitz des trigonometrischen Kenntnisstandes des Jahrhunderts - der selben Überlegungen bediente wie Mercator - sed aliter: nämlich rechnend, das konnte ich 1999 in einer Untersuchung über Dee's paradoxall compas nachweisen. Siehe meine http://www.wilhelmkruecken.de: John Dee.

Figur 16



9
Drecker (Anm. 2), 220-222

10
Wie sollte es eigentlich bei Erhard Etzlaub anders sein?!

11
Ich "prüfe" Etzlaubens Maße mit Hilfe einer in meinem Besitz befindlichen 1:1-Kopie der großen Welt- und Seekarte Mercators, deren (leider: verkleinertes) Faksimile ich mit J.Milz 1994 herausgeben durfte.

12
Vergleiche die Kartenlegende der Romweg-Karte, kommentiert von Englisch (Anm.1) 108, Sp.2.
Drecker selbst akzeptierte, daß "es doch für den besonderen Gebrauch dieser Karte [!] und bei dem kleinen Format gar nicht [!] auf eine winkeltreue Abbildung ankam [!]" (s.w.o.).
Eine  Winkelmessung in der Kompaßkarte selbst hätte im übrigen die Benutzung eines zweiten [!] Exemplars erforderlich gemacht.

13
DUF 10ff. (Anm.3)

14
Bruno Kyewski: Über die Mercatorprojektion IN Duisburger Forschungen 6 (1962) 115-130; hier: 124f.


15
Ein letzter Vergleich - im Pixel-Maß - mag die Verhältnisse THEORIE : [1511]: REKONSTRUKTION noch einmal veranschaulichen:

Figur 17

Ein interessierte Leser vergleiche für die oben (Tabelle 6 - Etzlaub und die Sehnenlehre des Ptolemäus) angeführten Kugelradien die (vergrößerten=) loxodromischen Breitenabstände Äquator-F mit Hilfe der Vergleichwerte der nachfolgenden Figur 18:

Figur 18

Dläq = 11[mm] Þ r = (11[mm]*36)/(2*p) = 63.03[mm] ÞF10° = 11.06[mm]
...
Dläq = 10.86[mm] Þ r = (11[mm]*36)/(2*p) = 62.22[mm] ÞF10° = 10.91[mm]
...

Figur 18 veranschaulicht noch einmal die Nicht-Überführbarkeit der stereographischen Eintafel-Projektion in die (vermittelte) Zylinder-Abbildung Gerhard Mercators.



* Einige Beispiele:

Figur 19

Figur 20

Figur 21


**
Zu den heutzutage feststellbaren chorographischen Defiziten der Weltkarte siehe jetzt: Peter Mesenburg: Abbildungen gestern und heute, Kartographische Schriften 9 (Bonn 2004) 186-195.