Astrologie im Umfeld Gerhard Mercators
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Das Interesse
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Aus der Widmung der Propaedeumata aphoristica (1558) des John Dee an Gerhard Mercator, den da und dort - wie noch zu berichten ist - verstreuten Nachrichten - auch über die Konzeption seines "Atlas"-Werkes - und auch aus einigen Textstellen in der Biographie von 1595 des Walter Ghim  läßt sich mit Gewißheit ableiten, daß die "Wissenschaft von der Sterndeutung" = die Astrologie ihn insbesondere in der Form der Astromantik - der allgemeinen (divinatorischen oder weissagenden) wie juridischen Astrologie der Horoskope - immer wieder beschäftigt haben muß.
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Aus der Widmung wie aus dem Text der Propaedeumata läßt sich der Schluß ziehen, daß John Dee und Gerhard Mercator schon beim ersten Besuch des jungen Engländers 1547/1548 recht intensiv über die Wirkungen der Planeten auf den Menschen - über den wohltätigen "strahlenden" Einfluß des "Oberen" auf das "Untere" - diskutiert haben. John Dee ist offenbar mit dem Versprechen nach Hause gefahren, seinem Freund Gerhard "in Kürze" einen ersten Entwurf über die Strahlungen der Himmelskörper und ihre Wirkungen aus Cambridge zukommen zu lassen. Nach 10 Jahren hat ihn schließlich die briefliche Nachfrage seines Löwener Freundes  veranlaßt, seine "strahlungstheoretische" Abhandlung in aller Eile zu verfassen.
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Diese Abhandlung - von Wayne Shumaker 1978 ganz  allgemein mit "Dee on Astronomy" apostrophiert - ist im wesentlichen nichts anderes als eine astro-teleologische Abhandlung über die "Strahlungen" der Himmelskörper auf der Grundlage der Physik des Philosophen (Aristoteles) und der geometrischen Optik. 
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Es scheint, als habe Gerhard Mercator eine andere Antwort seines Freundes erhofft; denn da John Dee eher physikalisch denn philosophisch argumentiert, behielt er sich eine "strahlungstheoretische" Untersuchung über astromantica, quae ad divinationes ex astris pertinent, offenbar sein (weiteres) Leben lang vor. Zur Ausführung dieser Untersuchung ist es aber nie gekommen.
Über den "wechselseitigen Einfluß, über die in der Tat auftretenden Veränderungen, aber insbesondere über deren Gründe und Ursachen wünscht er [1563] mehr zu erfahren" - aber er leistet diese Untersuchung (selbst) nicht (Breves in sphaeram e6v); ein wenig hilflos - weil eben doch nicht wissend - nimmt er die "Strahlungstheorien" seines  Freundes Dee kurz auf (ohne ihn zu nennen oder gar sie mit Inhalt zu füllen): e7.
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In der Chronologie des Jahres 1569 tritt die Astrologie noch nicht auf. Ihr Begriff entwickelt / verwickelt sich erst  in den verschiedenen Atlas-Konzepten (vgl. Stemma Atlantis 4 = Entwürfe) seit 1569
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21 1583 an Konrad Heresbach de astrologia aliisque ad mundi contemplationem spectantibus disserenda
22  1585 Widmung an Wilhelm II. in der Gallia-Ausgabe tertio de eorundem natura, radiatione et operantium conflexu ad veriorem astrologiam inquirendam
23 1593ff Praefatio in Atlantem mox astromantica quae ad divinationes ex astris pertinent
24 1593 Vivianus II de astromantia
25 1595 Walter Ghim in tertio quin astrologica explicaturus erat
26 1595 Johannes Mercator etiam voluit stellarum pendere vires, quatenus et radiis, inferiora doment
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Am Ende stellt sich das geplante "Buch" über die Astrologie gar als ein Buch über die Astromantie
 - d.i. wahrsagende oder divinatorische Astrologie (22,23,24,26) - , inklusive der Lehre von den Nativitäten, d.h. vom Stellen von Horoskopen, -
heraus, - oder - wenn man es recht bedenkt - am Ende münden Gerhard Mercators Gedanken wieder in eine schon 1547/48ff angedachte philosophische Untersuchung über den Einfluß und die Wirkungen - eigentlich: Bewirkungen - der Sterne, also in eine wahrhafte  "astro-teleologische" Abhandlung ein.
.Die genauen Angabe der Geburtsstunde durch Mercator selbst - er "entscheidet" den Streit über seinen Geburtstag wie seine Geburtsstunde - als auch der Todesstunde bei Ghim läßt darauf schließen, daß das Stellen von Nativitäten nicht nur ein Thema der Jahre 1547/48 in Löwen gewesen, sondern auch immer wieder einmal in den Diskussionen im Kreise von Freunden und Nachbarn in der Studierstube Mercators in Duisburg thematisiert worden ist.
Walter Ghim schreibt in der Vita, daß Gerhard Mercator am 5. März 1512 um 6 Uhr morgens geboren sei. Gerhard Mercator selbst hat aber schon in seinem Brief am 23. März 1582 an den Prediger Haller ausgeführt, daß er bis dato stets des Glaubens (seiner Mutter) gewesen wäre, er sei am 12. März 1512 gegen 6 Uhr geboren. Nunmehr habe er aber ein Papier seines Vaters in Händen, in dem exakt über alle seine Kinder berichtet würde, und aus dem hervorgehe, daß er am 5. März 1512 gegen 5 Uhr morgens geboren sei. - Von der danach möglichen Existenz von Geschwistern hat Gerhard Mercator nie etwas verlauten lassen.
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Erste Hinweise
 
Der vollständig überarbeitete Essay über die "Astrologie im Umfeld Gerhard Mercators" erscheint in Kürze im dritten Band meiner Gesammelten Abhandlungen zum Leben und Werk AD MAIOREM GERARDI MERCATORIS GLORIAM im Verlag Monsenstein und Vannerdat, Münster. (Siehe die Startseite.)